Prof. Dr. Volker Römermann
I. Verfahren
Rz. 84
Auf der Grundlage der Stellungnahme des Ausschusses trifft der Vorstand der zuständigen Rechtsanwaltskammer die abschließende Entscheidung. Er ist an das Votum des Ausschusses nicht gebunden.
Rz. 85
Der Bescheid ist in der Form zu begründen, dass eine gerichtliche Kontrolle möglich ist. Die floskelhafte Darlegung in einem Bescheid einer Rechtsanwaltskammer, die Prüfung der vom Antragsteller aufgelisteten Fälle mit Erklärungen und teilweisen Arbeitsproben hätten ergeben, dass diese Fälle in weitaus überwiegender Zahl einfacher Art seien, die bei einer Gesamtbewertung keinesfalls mindestens durchschnittlicher Bedeutung entsprächen, macht nicht erkennbar, in welcher Weise die Rechtsanwaltskammer welche Fälle konkret berücksichtigt hat.
Rz. 86
Lehnt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung ab, kann der Rechtsanwalt dagegen Klage beim zuständigen AGH nach den Vorschriften der VwGO stellen.
Rz. 87
Seit dem 1.9.2009 gilt für Verfahren im anwaltlichen Berufsrecht das "Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zu Änderungen sonstiger Vorschriften". Nach diesem Gesetz richten sich verwaltungsrechtliche Streitigkeiten nach der BRAO, dem EuRAG, BNotO sowie FAO zukünftig nach den Vorschriften der VwGO.
Rz. 88
Sämtliches Verwaltungshandeln der Rechtsanwaltskammer einschließlich der Verleihung von Fachanwaltstiteln gilt als öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit, die den Zugang zu der Anwaltsgerichtsbarkeit (in den dafür vorgesehenen Instanzen des AGH und des BGH als "besondere Verwaltungsgerichte") eröffnet.
Rz. 89
Grds. ist vor Klageerhebung gem. § 68 VwGO ein Widerspruchsverfahren bei der Rechtsanwaltskammer als Widerspruchsbehörde durchzuführen, sofern die Länder aufgrund der Öffnungsklausel in § 68 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 VwGO von der Möglichkeit keinen Gebrauch machen, die Durchführung des Vorverfahrens für verwaltungsrechtliche Anwaltssachen auszuschließen. So haben sich bspw. Bayern und Niedersachsen für die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens mit wenigen Ausnahmebereichen ausgesprochen, andere Länder wie Hessen haben dagegen geregelt, wann ein Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt werden kann.
Nach einem erfolglosen – soweit es je nach Bundesland überhaupt erforderlich ist – Widerspruchsverfahren ist der Instanzenzug eröffnet. Widerspruch und Anfechtungsklage haben grds. nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung.
Rz. 90
Der Lauf der Rechtsmittelfrist hängt davon ab, ob der angegriffene Verwaltungsakt – hier die Ablehnung der Verleihung des Titels Fachanwalt – mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen ist (§ 58 VwGO). Eine unrichtige oder unterbliebene Belehrung führt nach § 58 Abs. 2 VwGO dazu, dass der Rechtsbehelf noch innerhalb eines Jahres seit Zustellung eingelegt werden kann. Da nunmehr der Vertretungszwang des § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO gilt, mithin sich die Beteiligten vor dem AGH und dem Anwaltssenat des BGH durch einen Prozessbevollmächtigten (§ 67 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 VwGO) vertreten lassen müssen, sollte die Rechtsbehelfsbelehrung (im Widerspruchsbescheid) auch darauf hinweisen.
Rz. 91
Der AGH entscheidet im ersten Rechtszug. Der BGH und dort der Senat für Anwaltssachen beim BGH entscheidet sodann als Berufungsgericht über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Entscheidungen des AGH.
Rz. 92
Die mündliche Verhandlung entfällt, wenn keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten bestehen, der Sachverhalt geklärt ist und ein entsprechender Gerichtsbescheid (§ 84 VwGO) – unter Mitwirkung sämtlicher Richter – ergeht.
Rz. 93
Der Anwaltssenat kann ferner über unzulässige Rechtsmittel auch ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, wenn dies einstimmig erfolgt und keine mündliche Verhandlung notwendig ist (§ 130a VwGO). Der Anwaltssenat muss hierüber in voller Besetzung entscheiden. Die Besetzung des Senats für Anwaltssachen beim BGH ist durch § 106 Abs. 2 BRAO geändert worden. Früher entschied der Senat in der Besetzung mit vier Mitgliedern des BGH, darunter dem Präsidenten, und drei Beisitzern aus der Rechtsanwaltschaft, insgesamt also sieben Richter. Nunmehr ist eine Besetzung von fünf Mitgliedern, davon drei Berufsrichter und zwei anwaltliche Beisitzer vorgesehen.
Rz. 94
Gem. dem Verweis des § 112e BRAO auf die Bestimmungen der VwGO (§§ 124 ff. VwGO) ist die Berufung in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen zulassungsbedürftig. Der AGH muss die Berufung zulassen, wenn die Rechtssache grds. Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des BGH abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO). Der BGH ist an die Zulassung gebunden (§ 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO). Lässt der AGH die Berufung nicht zu, kann die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem AGH beantragt werden (§ 124a Abs. 4 VwGO). ...