Prof. Dr. Volker Römermann
1. Allgemeines
Rz. 11
Wann die theoretischen (und praktischen) Erfahrungen als "besonders" einzustufen sind, wird durch die Legaldefinition des § 2 Abs. 2 FAO geregelt: Sie müssen auf dem Fachgebiet erheblich das Maß dessen übersteigen, das üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird. Kenntnisse und Erfahrungen müssen also deutlich überdurchschnittlich sein.
Rz. 12
Die theoretischen Kenntnisse können dabei durch die Teilnahme an einem auf die Fachanwaltsbezeichnung vorbereitenden anwaltsspezifischen Lehrgang erworben werden (§ 4 Abs. 1 FAO) oder aber auf anderem Wege, wenn die so erworbenen theoretischen Kenntnisse dem im jeweiligen Fachlehrgang vermittelten Wissen entsprechen (§ 4 Abs. 3 FAO). Eine genaue Definition des Begriffes "Lehrgang" oder der Anforderungen an die Veranstalter solcher Lehrgänge sieht die FAO nicht vor. Welche konkreten theoretischen Kenntnisse in den einzelnen Fachbereichen erworben und nachgewiesen werden müssen, ergibt sich aus den §§ 8–14q FAO.
Rz. 13
§ 14i FAO sieht dabei für den Fachbereich Handels- und Gesellschaftsrecht Folgendes vor:
§ 14i Nachzuweisende besondere Kenntnisse im Handels- und Gesellschaftsrecht
Für das Fachgebiet Handels- und Gesellschaftsrecht sind besondere Kenntnisse nachzuweisen in den Bereichen
1. |
Materielles Handelsrecht
a) |
Recht des Handelsstandes (§§ 1–104 HGB) |
b) |
Recht der Handelsgeschäfte (§§ 343–406 HGB) |
c) |
internationales Kaufrecht, insbesondere UN-Kaufrecht, |
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2. |
Materielles Gesellschaftsrecht, insbesondere
a) |
das Recht der Personengesellschaften, |
b) |
das Recht der Kapitalgesellschaften, |
c) |
internationales Gesellschaftsrecht, insbesondere Grundzüge des europäischen Gesellschaftsrechts sowie der europäischen Aktiengesellschaft, |
d) |
Konzernrecht, insbesondere das Recht der verbundenen Unternehmen, |
e) |
Umwandlungsrecht, |
f) |
Grundzüge des Bilanz- und Steuerrechts, |
g) |
Grundzüge des Dienstvertrags- und Mitbestimmungsrechts. |
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3. |
Bezüge des Handels- und Gesellschaftsrechts zum Arbeitsrecht, Kartellrecht, Handwerks- und Gewerberecht, Erb- und Familienrecht, Insolvenz- und Strafrecht sowie Bezüge des Rechts der Aktiengesellschaften zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmerecht. |
4. |
Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung. |
Die besonderen praktischen Erfahrungen i.S.v. § 5 FAO müssen sich allerdings nicht auf sämtliche in § 14i FAO genannten Teilbereiche beziehen, sondern auf drei verschiedene Bereiche hiervon.
2. Dauer des Fachanwaltslehrgangs und der Klausuren
Rz. 14
Allen Fachanwaltsbereichen gemein ist die Vorgabe des § 4 Abs. 1 FAO, dass der Fachanwaltslehrgang eine Gesamtdauer von mindestens 120 Zeitstunden beinhalten muss. Hierin noch nicht eingerechnet sind die Leistungskontrollen (Aufsichtsarbeiten), deren Voraussetzungen in § 4a FAO geregelt sind. Danach muss eine Aufsichtsarbeit mindestens eine Zeitstunde ausfüllen und darf 5 Zeitstunden nicht überschreiten. Die Gesamtdauer der bestandenen Leistungskontrollen darf 15 Zeitstunden nicht unterschreiten. Dabei darf die Zeitstunde (60 Minuten Dauer) nicht etwa mit den allgemein üblichen Unterrichtseinheiten (45 Minuten Dauer) verwechselt werden!
Rz. 15
Die theoretischen Kenntnisse des angehenden Fachanwalts sollen diesen in die Lage versetzen, die ihm vorgelegten praktischen Fälle qualitativ hochwertig zu bearbeiten. Dass die einmal erworbenen theoretischen Kenntnisse auch bei Antragstellung noch vorhanden sind, wird durch den mit Wirkung vom 1.11.2006 grundlegend geänderten § 4 Abs. 2 FAO gewährleistet. Dieser sieht jährliche Fortbildungen gem. § 15 FAO im Umfang von mindestens 15 Zeitstunden vor, sofern der Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung nicht in demselben Jahr gestellt wird, in dem der Lehrgang endet (weitere Einzelheiten hierzu unter Rdn 98).
Hinweis
Sofern der Beginn des Lehrgangs länger als ein Jahr vor der Antragstellung liegt, muss gleichzeitig mit dem Antrag auf Verleihung des Fachanwaltstitels ein Fortbildungsnachweis von 15 Zeitstunden entsprechend § 15 FAO vorgelegt werden. Lehrgangszeiten werden dabei angerechnet.
3. Präsenzpflicht
Rz. 16
Grds. muss der Fachanwaltsbewerber während der gesamten Zeitdauer des Lehrgangs präsent sein. Ausnahmen können allenfalls in geringem Umfang, z.B. infolge von Verspätung bei der Anreise, zugelassen werden. Versäumt ein Teilnehmer jedoch längere Abschnitte (etwa einen oder gar mehrere Tage), so darf der Veranstalter die Leistungsteilnahme in dem von § 4 Abs. 1 FAO geforderten zeitlichen Umfang nicht bestätigen.
Fernlehrgänge, also bspw. ohne Präsenz des Studierenden an der Universität, sind zwischenzeitlich etabliert und auch zulässig. Die Fernlerngänge müssen so konzipiert sein, dass der Umfang der Stoffvermittlung den 120 Zeitstunden einer Präsenzveranstaltung gleichkommt. Die Umrechnung von Lerneinheit in Zeiteinheit muss nachvollziehbar sein. Zudem bedarf es der Anfertigung von Zwischenklausuren als Lernkontrolle und einer Präsenzpflicht für die Abschlussklausuren (zur Zulässigkeit von sog. Online-Seminaren für die Pflichtfortbildung e...