1. Überblick
Rz. 263
Einstweilige Anordnungsverfahren (§ 86b Abs. 2 SGG) und zugehörige Hauptsacheverfahren sind auch in sozialrechtlichen Angelegenheiten gem. § 17 Nr. 4 Buchst. b) gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten.
Rz. 264
Folgt auf das Anordnungsverfahren ein Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren wegen des Eintritts veränderter Umstände, ist dieses Verfahren zwar nach § 17 Nr. 4 Buchst. d) gegenüber der Hauptsache wiederum eine verschiedene Angelegenheit, nicht aber gegenüber dem jeweiligen Ausgangs-Anordnungsverfahren; insoweit ist nur eine Angelegenheit gegeben (§ 16 Nr. 5).
2. Die Vergütung
a) Überblick
Rz. 265
Der Anwalt erhält die Vergütung im einstweiligen Anordnungsverfahren gegenüber der Vergütung in der Hauptsache danach gesondert. Die Gebührentatbestände sind jedoch die gleichen wie im Hauptsacheverfahren. Da das Gesetz insoweit keine besonderen Regelungen enthält, sind die Vorschriften für gerichtliche Verfahren nach VV Teil 3 anzuwenden. Eine Besonderheit sieht lediglich VV Vorb. 3.2 Abs. 2 S. 2 vor. Danach bleibt es auch dann bei den Gebühren nach VV Teil 3 Abschnitt 1 (VV 3100 ff.), wenn das Berufungsgericht für das Anordnungsverfahren als Gericht der Hauptsache zuständig ist (§ 86b Abs. 2 S. 3, 4 SGG i.V.m. § 943 ZPO).
b) Einstweiliges Anordnungsverfahren vor dem Sozialgericht
aa) Verfahrensgebühr
Rz. 266
Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Sozialgericht erhält der Anwalt zunächst eine Verfahrensgebühr nach VV 3102. Die Anrechnung einer vorangegangenen Geschäftsgebühr aus der Hauptsache nach VV Vorb. 3 Abs. 4 kommt nicht in Betracht. Hauptsacheverfahren und Aufhebungs- oder Anordnungsverfahren sind nach § 17 Nr. 4 Buchst. b) verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten. Beide Instanzenzüge sind voneinander völlig unabhängig zu betrachten. Das Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren geht nur dem Hauptsacheverfahren voran, nicht auch dem Eilverfahren.
bb) Terminsgebühr
Rz. 267
Kommt es zu einem Termin i.S.d. VV Vorb. 3 Abs. 3, erhält der Anwalt zusätzlich eine Terminsgebühr nach VV 3106.
Rz. 268
Ausgelöst wird die Terminsgebühr in allen Fällen der VV Vorb. 3 Abs. 3. Sie entsteht also sowohl für die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin (VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 1) als auch für eine Besprechung mit der Behörde zur einvernehmlichen Erledigung des einstweiligen Anordnungsverfahrens (VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2). Dass im einstweiligen Anordnungsverfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, ist insoweit unerheblich, da VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 eine solche Einschränkung nicht enthält.
Rz. 269
Dagegen kann eine Terminsgebühr nicht unter den Voraussetzungen der Anm. S. 1 zu VV 3106 entstehen, also weder bei einem angenommenen Anerkenntnis noch einem schriftlichen Vergleich, da eine mündliche Verhandlung in diesen Verfahren nicht vorgeschrieben ist (§§ 124 Abs. 3, 86 Abs. 4 SGG).
cc) Einigungs- oder Erledigungsgebühr
Rz. 270
Eine Erledigungsgebühr kommt im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht vor, da es hier nicht um den in der Hauptsache angefochtenen Bescheid geht. Möglich ist allerdings eine Einigungsgebühr nach VV 1000, 1006, wenn im Einvernehmen mit der Behörde eine vorläufige Regelung getroffen wird. Einigungen sind auch im einstweiligen Anordnungsverfahren möglich.
dd) Auslagen
Rz. 271
Da es sich bei den einstweiligen Anordnungsverfahren um eigene Gebührenangelegenheiten handelt, entstehen auch die Auslagen gesondert. Insbesondere erhält der Anwalt eine eigene Postentgeltpauschale nach VV 7002.
ee) Die Höhe der Gebühren
Rz. 272
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die Gebühren seien im Rahmen des § 14 Abs. 1 grundsätzlich geringer anzusetzen, da das einstweilige Anordnungsverfahren eine geringere Bedeutung habe (keine endgültige Klärung) und dass in diesem Verfahren Vorkenntnisse aus dem Hauptsacheverfahren verwertet werden können. Diese pauschale Bemessung ist jedoch unzutreffend. Die einstweilige Anordnung auf Gewährung bestimmter Leistungen kann erhebliche Bedeutung haben, zumal auch hier – wenn auch andere – schwierige Fragen zu klären sein können. Zudem besteht für den Anwalt ein Zeitdruck, der wiederum höhere Gebühren rechtfertigt.
Rz. 273
In den nachfolgenden Berechnungen wird grundsätzlich von der Mittelgebühr ausgegangen. Soweit im Einzelfall höhere oder niedrigere Gebühren angemessen sind, hat dies nur Auswirkungen auf die Höhe der Beträge. An den abgerechneten Gebührentatbeständen ändert sich nichts.
Beispiel: Der Anwalt wird erstmals im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt. Über den Antrag wird ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Es entsteht nur die Verfahrensgebühr der VV 3102.
1. |
Verfahrensgebühr, VV 3102 |
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360,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
380,00 EUR |
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3. |
... |