1. Überblick
Rz. 146
Ein sog. Abschlussschreiben, also ein Schreiben, mit dem der Rechtsanwalt den Antragsgegner nach Erlass einer einstweiligen Verfügung auffordert, den Verfügungsanspruch anzuerkennen und auf seine Rechte gegen die Verfügung zu verzichten, zählt nicht mehr zur Gebühreninstanz des Verfügungsverfahrens. Diese Tätigkeit betrifft vielmehr die Hauptsache. Wie abzurechnen ist, hängt davon ab, ob insoweit ein Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung vorlag oder ob bereits Klageauftrag erteilt worden war.
Rz. 147
Hatte der Anwalt bereits Klageauftrag zur Hauptsache, dann zählt das Abschlussschreiben als Vorbereitungshandlung bereits zur Instanz (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1), also zur Hauptsacheklage, sodass er durch das Abschlussschreiben eine 0,8-Verfahrensgebühr nach VV 3100, 3101 Nr. 1 verdient.
Rz. 148
Hat der Anwalt noch keinen Klageauftrag, so löst das Abschlussschreiben eine Geschäftsgebühr nach VV 2300 aus.
2. Noch kein Auftrag zur Hauptsacheklage
a) Abrechnung
Rz. 149
Hat der Anwalt noch keinen Klageauftrag, so löst das Abschlussschreiben eine Geschäftsgebühr nach VV 2300 aus. In aller Regel ist ein Abschlussschreiben mit einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach VV 2300 zu vergüten. Eine 0,3-Gebühr nach VV 2302 scheidet grundsätzlich aus.
Diese Gebühr ist nach VV Vorb. 3 Abs. 4 zur Hälfte, höchstens mit 0,75 auf ein nachfolgendes Hauptsacheverfahren anzurechnen.
Beispiel: Nach Erlass einer einstweiligen Verfügung (Wert: 7.500 EUR), die der Anwalt für seinen Mandanten im Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung erwirkt hat, fordert er auftragsgemäß den Antragsgegner außergerichtlich auf, den Verfügungsanspruch (Hauptsachewert: 30.000 EUR) anzuerkennen und auf seine Rechte gegen die Verfügung zu verzichten, was dann auch geschieht.
Für das Verfügungsverfahren entsteht die Gebühr nach VV 3100 aus dem Wert von 7.500 EUR. Für die außergerichtliche Vertretung entsteht eine Geschäftsgebühr nach VV 2300 aus dem Wert der Hauptsache, also aus 30.000 EUR. Hier soll von der Mittelgebühr ausgegangen werden. Eine Anrechnung ist nicht vorgesehen.
I. |
Verfügungsverfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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652,60 EUR |
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(Wert: 7.500,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
672,60 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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127,79 EUR |
Gesamt |
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800,39 EUR |
II. |
Abschlussschreiben |
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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1.432,50 EUR |
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(Wert: 30.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.452,50 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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275,98 EUR |
Gesamt |
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1.728,48 EUR |
b) Abschlussschreiben nach vorheriger Abmahnung
Rz. 150
Wenig Beachtung findet die Frage, wie sich das Abschlussschreiben zur Abmahnung verhält. Beides sind außergerichtliche Tätigkeiten, die eine Geschäftsgebühr auslösen. In beiden Fällen ist der Gegenstand derselbe, nämlich der Hauptsacheanspruch. Daher ist insoweit von derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 auszugehen. Mit dem Abschlussschreiben wird die außergerichtliche Vertretung hinsichtlich der Hauptsache wieder aufgenommen und dem Verfügungsgegner nochmals Gelegenheit gegeben, die Sache ohne Hauptsacheprozess aus der Welt zu schaffen. Bei dem Abschlussschreiben handelt es sich folglich nicht um einen neuen Auftrag, sondern nur um den Auftrag, in der Hauptsache weiter tätig zu werden. Die Gebühren entstehen daher nicht erneut (§ 15 Abs. 5 S. 1). Allerdings wird das Abschlussschreiben dazu führen, dass sich der Gebührensatz der außergerichtlichen Vertretung erhöht.
Beispiel: Der Anwalt mahnt den Gegner zunächst ab (Wert der Hauptsache: 30.000 EUR). Da der Gegner nicht reagiert, beantragt der Anwalt den Erlass einer einstweiligen Verfügung (Wert: 7.500 EUR), die der Anwalt für seinen Mandanten im Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung erwirkt. Hiernach fordert er auftragsgemäß den Antragsgegner außergerichtlich auf, den Verfügungsanspruch anzuerkennen und auf seine Rechte gegen die Verfügung zu verzichten, was dann auch geschieht.
Für das Verfügungsverfahren entsteht die Gebühr nach VV 3100 aus dem Wert von 7.500 EUR. Für die Abmahnung ist eine Geschäftsgebühr nach VV 2300 aus dem Wert der Hauptsache, also aus 30.000 EUR entstanden. Hier soll von der Mittelgebühr ausgegangen werden. Durch die Wiederaufnahme der außergerichtlichen Vertretung entsteht keine weitere Geschäftsgebühr. Die Tätigkeit betreffend das Abschlussschreiben stellt sich vielmehr als Fortsetzung der außergerichtlichen Vertretung dar und führt lediglich zu einer Erhöhung des Gebührensatzes, der hier leicht überdurchschnittlich mit 1...