Rz. 146
Der entscheidende Gesichtspunkt für die Feststellung des Unternehmenswerts ist die zukünftige Ertragskraft. Deren Einschätzung erfordert – jedenfalls vom Stichtag aus betrachtet – eine entsprechende Zukunftsprognose. Hierzu sind im Wesentlichen zwei methodische Ansätze zu unterscheiden:
Rz. 147
In der Vergangenheit ging die Betriebswirtschaftslehre überwiegend davon aus, dass der Zukunftserfolg aus einem Durchschnitt der in der Vergangenheit bzw. Gegenwart erreichten Erfolge als einheitliche Schätzgröße abgeleitet werden könne. Bei dieser Vorgehensweise werden sämtliche den Erfolg beeinflussenden Faktoren global in ein einheitliches Ergebnis einbezogen. Eine Einzelbetrachtung der vielfältigen Chancen und Risiken, die sich gemeinsam auf das Gesamtergebnis des Unternehmens auswirken, findet hierbei gerade nicht statt, um auf diese Weise der Gefahr entgegenzuwirken, dass Fehleinschätzungen hinsichtlich einzelner Erfolgskomponenten zu einer Verzerrung des Gesamtergebnisses führen.
Rz. 148
Inzwischen hat sich jedoch die Auffassung durchgesetzt, dass die Prognose auf detaillierteren Planungen der Zukunftsergebnisse beruhen sollte. Dabei sind für alle wesentlichen erfolgswirksamen Faktoren einzelne Pläne aufzustellen, die – jeder für sich – mit den entsprechenden Vergangenheitsergebnissen korrelieren.
Rz. 149
Da die Planungssicherheit mit wachsendem zeitlichen Abstand zum Stichtag naturgemäß abnimmt, wird die – jedenfalls theoretisch unendliche – Zukunft des Unternehmens in verschiedene Phasen zerlegt. Im Allgemeinen werden zwei Phasen unterschieden:
Rz. 150
Für die erste, also dem Stichtag am nächsten liegende Phase (drei bis maximal fünf Jahre) können noch relativ genaue Vorausberechnungen angestellt werden, die auf Einzelplanansätzen der jeweiligen Aufwendungen und Erträge beruhen.
Rz. 151
Bei der Betrachtung der zweiten Phase sind Einzelplanansätze zumeist nicht mehr möglich, vielmehr beruhen die Ertragsprognosen auf allgemeinen Trenderwartungen, die auf den vorangegangenen Planungen aufbauen und in konstanten oder konstant wachsenden Erträgen resultieren.
Rz. 152
Da den Annahmen für diese zweite Phase im Rahmen der Bewertung erhebliches Gewicht zukommt, sind die hier getroffenen Annahmen besonders kritisch zu überprüfen. Die jeweiligen Ansätze müssen jedenfalls nachvollziehbar und vertretbar sein. Dabei ist insb. das Unternehmenskonzept mit den erwarteten Rahmenbedingungen des Marktes und des Wettbewerbs sowie deren Veränderungen abzustimmen. Eine Kontrolle anhand von Branchenkennzahlen (z.B. Umsatzrenditen) ist praktisch unerlässlich.
Rz. 153
Da im Regelfall die Planungen der beiden Phasen aufeinander aufbauen, sind die Planansätze der ersten Phase im Hinblick auf ihre Eignung als Bezugsgröße für die finanziellen Überschüsse der zweiten Phase zu überprüfen. Insoweit spielen die nachfolgend genannten Sachverhalte regelmäßig eine erhebliche Rolle: Berücksichtigung wesentlicher und nachhaltiger Veränderungen im Absatz- und/oder Beschaffungsmarkt, Analyse des Produkt- und Marktpotenzials auf Ausgewogenheit im Produktlebenszyklus; Analyse der Markt- und Wettbewerbspositionierung der Produkte und Dienstleistungen im Hinblick auf noch nicht berücksichtigte zukünftige Marktchancen sowie Einbeziehung noch nicht berücksichtigter Kosten für die zukünftige Marktbearbeitung, Normalisierung wesentlicher Kostenkomponenten wie z.B. Forschung und Entwicklung und Altersversorgung, Berücksichtigung nachhaltig wirkender Kostensenkungs- und Restrukturierungsmaßnahmen, die im Bewertungszeitpunkt bereits angelegt sind.
Rz. 154
Angesichts der Komplexität dieser Planungsaufgaben kann es sinnvoll sein, verschiedene Szenarien zu entwickeln, um das Ausmaß der Unsicherheit der künftigen finanziellen Überschüsse besser beurteilen zu können und in das Bewertungskalkül (Bestimmung des Abzinsungsfaktors) einzubeziehen.
Die Plausibilität der Planungsrechnungen ist jedenfalls für die Validität des Bewertungsergebnisses absolut entscheidend.