1. Maßgeblichkeit des Bewertungszwecks
Rz. 112
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist zunächst die Frage zu beantworten, welchem Zweck die Unternehmensbewertung dienen soll. So wird bei der Ermittlung eines subjektiven Entscheidungswerts oder eines Einigungswerts von anderen Annahmen hinsichtlich der Prognose und Diskontierung der künftigen finanziellen Überschüsse ausgegangen als bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts.
Rz. 113
Bezogen auf die Problematik der Bewertung von Unternehmen für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke kann diese Frage nur einheitlich beantwortet werden. Ziel der Unternehmensbewertung ist es hier stets, den objektivierten Unternehmenswert (Entscheidungswert) aus der Sicht eines gedachten Erwerbers festzustellen, § 11 Abs. 2 S. 2 letzter Hs. BewG. "Gedachter Erwerber" bedeutet dabei, dass auf einen idealtypischen Erwerber abzustellen ist, nicht auf eine möglicherweise vorstellbare konkrete Motivation oder irgendwelche – bei bestimmten Erwerbern denkbare – Synergieeffekte.
Vor dem Hintergrund der Zielsetzung, einen objektivierten Unternehmenswert zu bestimmen, spielen auch die im Bereich des Zugewinnausgleichs mitunter (in der zivilrechtlichen Rechtsprechung und Literatur) diskutierten Aspekte, insb. die Berücksichtigung eines sog. Tax Amortisation Benefit, für steuerliche Bewertungsanlässe keine Rolle. Der im Jahr 2016 ergangene IDW Standard S 13 gilt daher nur für familien- bzw. erbrechtlich geprägte Bewertungsanlässe, ausdrücklich aber nicht für steuerliche, schon gar nicht im Bereich der Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuerfestsetzung.
2. Wirtschaftliche Unternehmenseinheit als Bewertungsobjekt
Rz. 114
Bei einem (funktionierenden) Unternehmen handelt es sich nicht nur um eine willkürliche Ansammlung von Vermögensgegenständen und Schulden. Vielmehr lässt erst die zweckgerichtete Kombination von materiellen und immateriellen Werten einen "lebenden" Organismus entstehen, der geeignet ist, durch das Zusammenwirken aller seiner Bestandteile finanzielle Überschüsse zu erwirtschaften. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass der Wert eines Unternehmens nicht durch die Summe der Werte der einzelnen Bestandteile des Vermögens und der Schulden bestimmt wird, sondern durch das Zusammenwirken all dieser Werte.
Rz. 115
Im Rahmen der Bewertung ist es daher von entscheidender Bedeutung, alle an der Erwirtschaftung des Unternehmenserfolgs beteiligten Faktoren zu erfassen und in die Analyse mit einzubeziehen. Die Frage, ob und inwieweit die auf dieser Grundlage vorgenommene Abgrenzung mit den formaljuristischen Gegebenheiten übereinstimmt, ist in diesem Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung. Das Bewertungsobjekt muss nach wirtschaftlichen Kriterien definiert werden.
3. Stichtagsprinzip
Rz. 116
Unternehmenswerte sind grds. zeitpunktbezogen. Der Bewertungsstichtag determiniert, welche finanziellen Überschüsse den bisherigen Unternehmenseignern bereits zugeflossen sind und daher nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, und ab welchem Zeitpunkt zu erwartende bzw. schon realisierte finanzielle Überschüsse den künftigen Eigentümern zuzurechnen sind. Gegenstand der Bewertung ist also die zum Stichtag vorhandene Ertragskraft des Unternehmens.
Rz. 117
Bei Personenhandelsgesellschaften folgen das Stichtagsprinzip sowie der Grundsatz der Bewertung der vorhandenen Ertragskraft bereits aus der Vorschrift des § 738 Abs. 1 S. 1 BGB. Dort ist geregelt, dass einem ausscheidenden Gesellschafter derjenige Betrag als Abfindung zusteht, den er erhalten würde, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt seines Ausscheidens aufgelöst würde. Auch wenn die hier anscheinend normierte Maßgeblichkeit des Liquidationswerts von Rechtsprechung und Literatur zu Recht abgelehnt wird, ist die vom Gesetzgeber getroffene Definition des Bewertungsstichtags unumstritten. Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung hat das Stichtagsprinzip – trotz Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung – ebenfalls Gültigkeit. Gleiches gilt hinsichtlich Pflichtteils- und sonstiger erbrechtlicher Ausgleichsansprüche. Für die Erbschaftsteuer ergibt sich der Stichtag aus § 11 ErbStG.
Rz. 118
Folge des Stichtagsprinzips ist auch, dass bei der praktischen Durchführung der Bewertung stets auf den Kenntnisstand abzustellen ist, de...