A. Änderungen des Steuersatzes

 

Rz. 1

Durch Art. X des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise – Zweites Corona-Steuerhilfegesetz –[1] ist für die Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 der allgemeine Umsatzsteuersatz von 19 % auf 16 % (§ 12 Abs. 1 UStG) sowie der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % auf 5 % (§ 12 Abs. 1 UStG) herabgesetzt worden. Ab dem 1.1.2021 gilt wieder der Steuersatz von 19 %. Diese Änderungen der Steuersätze haben auch für die anwaltliche Abrechnung erhebliche Bedeutung, da die anwaltliche Vergütung grundsätzlich der Umsatzsteuer unterliegt. Der Anwalt darf seinen Mandanten also für bestimmte Leistungen anstelle der bisherigen 19 % nur 16 % Umsatzsteuer in Rechnung stellen (VV 7008).

 

Hinweis:

Die Abrechnungsbeispiele richten sich sämtlich nach den Gebührenbeträgen bis zum 31.12.2020. Wenn bereits die Gebührenbeträge der Fassung ab dem 1.1.2021 gelten, kann auch nur 19 % Umsatzsteuer in Betracht kommen.

[1] BGBl I 2020, S. 1512.

B. Grundlagen

I. Umsatzsteuerpflicht

 

Rz. 2

Grundsätzlich ist die Tätigkeit des Anwalts umsatzsteuerpflichtig, und zwar mit einem Steuersatz von 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG). Ein Steuersatz von 7 % (§ 12 Abs. 2 UStG) ist in Ausnahmefällen zwar denkbar, hat in der Praxis aber keine Bedeutung (siehe VV 7008 Rdn 63).

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es auch anwaltliche Mandate gibt, die gar nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Dann spielt die Änderung des Umsatzsteuersatzes selbstverständlich auch keine Rolle.

 

Rz. 3

Hierzu zählt zum einen der sogenannte Eigenverbrauch. Vertritt sich der Anwalt selbst in eigener Sache und kann er nach § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO die Gebühren und Auslagen erstattet verlangen, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte, fehlt es an einem Umsatz. Solche Tätigkeiten (etwa eigene Vergütungsprozesse) sind von vornherein gar nicht umsatzsteuerpflichtig (siehe VV 7008 Rdn 42).

 

Rz. 4

Darüber hinaus kann es in Fällen mit Auslandsberührung an der Umsatzsteuerpflicht fehlen. So ist z.B. die Tätigkeit eines Anwalts nicht umsatzsteuerpflichtig, wenn der Mandant Verbraucher ist und er seinen Wohnsitz außerhalb der EU hat (etwa bei einem familiengerichtlichen Verfahren für einen in der Schweiz, in der Türkei oder in den USA lebenden Mandanten). Siehe VV 7008 Rdn 3 ff.

II. Höhe des Steuersatzes

 

Rz. 5

Ist die Tätigkeit des Anwalts umsatzsteuerpflichtig, dann galt bis zum 30.6.2020 ein Steuersatz von 19 %. Seit dem 1.7.2020 galt der ermäßigte Steuersatz in Höhe von 16 %. Diese Reduzierung ist zum 1.1.2021 wieder aufgehoben worden, so dass jetzt wieder zum Steuersatz von 19 % zurückgekehrt worden ist.

III. Keine Anwendung des RVG-Übergangsrechts

 

Rz. 6

Auch wenn es sich bei der Umsatzsteuer um einen Auslagentatbestand handelt (siehe VV 7008), ist die Übergangsvorschrift des § 60 RVG hierauf nicht anwendbar. Vielmehr muss der Anwalt diejenige Umsatzsteuer abführen, die tatsächlich bei ihm anfällt und von ihm an das Finanzamt abzuführen ist.

IV. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Besteuerung

1. Leistungszeitpunkt, Leistungszeitraum

 

Rz. 7

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der Umsatzsteuer ist der Tag, an dem der Anwalt seine Leistung erbringt bzw. das Ende des Leistungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Dieser Zeitpunkt fällt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der anwaltlichen Vergütung nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG zusammen. Es kommt also weder darauf an, in welchen Zeiträumen der Anwalt tätig war, noch kommt es darauf an, wann eine bestimmte Gebühr entstanden ist. Erst recht kommt es nicht darauf an, wann der Anwalt die Rechnung schreibt oder wann der Mandant zahlt. Maßgebend ist ausschließlich die Fälligkeit der Vergütung nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG.

 

Rz. 8

 

Beispiel: Im März 2020 ist der Anwalt beauftragt worden, eine Klage einzureichen, was er auch umgehend veranlasst hat. Im Mai 2020 fand ein erster Termin zur mündlichen Verhandlung statt, in dem ein Beweisbeschluss erlassen wurde. Im November 2020 schließen die Parteien unter Mitwirkung ihrer Anwälte einen schriftlichen Vergleich, mit dem der Rechtsstreit erledigt wird. Der Anwalt rechnet seine Vergütung im Januar 2021 ab. Der Mandant zahlt im Februar 2021.

Die Verfahrensgebühr ist im März 2020 mit Antragseinreichung entstanden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem noch die 19 %-ige Umsatzsteuer galt.
Auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung galt noch der Umsatzsteuersatz von 19 %.
Bei Abschluss des Vergleichs galt bereits der ermäßigte Steuersatz von 16 %.
Zum Zeitpunkt der Rechnungserstellung gilt wieder der alte Steuersatz von 19 %.
Gleiches gilt für den Tag der Zahlung.

Für die Berechnung der Umsatzsteuer ist allein der Tag der Fälligkeit entscheidend. Das war der Tag des Vergleichsabschlusses, da damit die Angelegenheit beendet und der Auftrag erledigt wurde (§ 8 Abs. 1 S. 1 RVG). Damit ist die gesamte Vergütung der Instanz erst im November 2020 fällig geworden. Es gilt also einheitlich der Umsatzsteuersatz von 16 %. Der Zeitpunkt des Entstehens der jeweiligen Gebühren ist ebenso irrelevant wie das Datum der Rechnung oder der Bezahlung.

 

Rz. 9

Soweit nach Eintritt der Fälligkeit noch Abwick...

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