1. Überblick
Rz. 47
Wird im Verbundverfahren ein Vergleich über nicht anhängige Gegenstände geschlossen – insbesondere über Ansprüche, die Gegenstand einer Folgesache sein könnten –, so fällt daraus eine Gerichtsgebühr (Nr. 1500 FamGKG-KostVerz.) an, so dass das Gericht insoweit von Amts wegen (§ 55 FamGKG) einen Vergleichswert festsetzen muss. Dieser (Mehr-)Wert erhöht dann auch den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit. Zur Abrechnung siehe Rdn 88 ff.
Rz. 48
Der Mehrwert des Vergleichs richtet sich nach den Vorschriften der jeweiligen Gegenstände, die in die Einigung einbezogen worden sind.
Beispiel: Im Scheidungsverfahren beträgt der Wert der Ehesache 9.000 EUR und der des Versorgungsausgleichs 2.700 EUR. Die Eheleute schließen im Termin zur mündlichen Verhandlung einen Vergleich über den nicht anhängigen Zugewinnausgleich i.H.v. 20.000 EUR.
Der Wert des Verfahrens richtet sich nach den Werten von Ehesache und Versorgungsausgleich und beträgt damit 11.700 EUR. Der Mehrwert des Vergleichs beträgt 20.000 EUR.
2. Mehrvergleich Kindschaftssache
Rz. 49
Soweit der Vergleich eine nicht anhängige Kindschaftssache betrifft, ist auf § 45 FamGKG abzustellen und nicht auf § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG, da diese Wertvorschrift nach dem ausdrücklichen Wortlaut nur dann gilt, wenn die Kindschaftssache Folgesache ist. Das wird sie aber nur durch einen Antrag nach § 137 Abs. 3 FamFG, nicht durch einen bloßen Vergleich. Es würden sich zudem Wertungswidersprüche ergeben, wenn eine isoliert geführte Kindschaftssache im Verbund mit verglichen wird.
Beispiel: Im Scheidungsverfahren beträgt der Wert der Ehesache 6.000 EUR und der des Versorgungsausgleichs 1.200 EUR. Die Eheleute schließen einen Vergleich über das nicht anhängige Umgangsrecht.
Der Wert des Verfahrens beträgt 7.200 EUR. Für den Mehrwert des Vergleichs gilt § 45 FamGKG und nicht etwa § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG, da es sich nicht um eine Folgesache handelt. Der Vergleich hat somit einen Mehrwert von 4.000 EUR.
3. Mehrvergleich Vermögensauseinandersetzung?
Rz. 50
Die bloße Auseinandersetzung gemeinschaftlichen Vermögens löst dagegen keine Einigungsgebühr aus. Eine Einigungsgebühr für das Aushandeln eines Vertrags steht dem Rechtsanwalt nämlich nur dann zu, wenn sich zuvor ein Vertragspartner einer Rechtsposition berühmt hat, über die Streit oder Ungewissheit bestand. Das ist aber bei einer einfachen Vermögensauseinandersetzung nicht der Fall. Weder sind die Eigentumsverhältnisse streitig oder ungewiss, noch behauptet ein Beteiligter, dass ihm ein Anspruch auf Übertragung des Vermögensgegenstands zustehe bzw. dass der andere Beteiligte verpflichtet sei, den Vermögensgegenstand gegen eine Ausgleichzahlung zu übernehmen. Dass möglicherweise der Wert der Immobilie streitig ist, ist unerheblich, da der Wert einer Sache kein Rechtsverhältnis ist. Die Praxis nimmt i.d.R. ohne größere Überlegungen eine Einigung an. Insbesondere dann, wenn die Eigentumsübertagung lediglich als Zahlungsmittel für den Zugewinnausgleich anzusehen ist, kommt der Übertragung kein Mehrwert zu.
Beispiel: Im Scheidungsverfahren beträgt der Wert der Ehesache 24.000 EUR und der des Versorgungsausgleichs 9.600 EUR. Die Eheleute einigen sich, dass der Ehemann die gemeinsame Immobilie (Verkehrswert 200.000 EUR) erhalten und unter Verrechnung des Zugewinns noch 60.000 EUR zahlen soll.
Der Wert des Verfahrens beträgt 33.600 EUR. Ein Mehrwert liegt nur hinsichtlich des Zugewinns vor, so dass der Vergleich einen Mehrwert von 40.000 EUR hat.
Lässt man die Einigung über die Vermögensauseinandersetzung ausreichen, läge ein Mehrwert i.H.v. 140.000 EUR vor, da dann der hälftige Wert der Immobilie hinzuzurechnen wäre.
4. Mehrvergleich Veräußerung eines gemeinsamen Grundstücks
Rz. 51
Einigen sich die Eheleute, dass ein gemeinsames Grundstück an einen Dritten verkauft werden soll, nimmt das OLG Frankfurt einen Vergleichsmehrwert in Höhe des vollen Verkehrswerts des Grundstücks an.
Beispiel: Im Scheidungsverfahren beträgt der Wert der Ehesache 6.000 EUR und der des Versorgungsausgleichs 1.200 EUR. Die Eheleute einigen sich, dass die gemeinsame Immobilie mit einem Verkehrswert von 200.000 EUR freihändig an einen Dritten veräußert werden soll.
Der Wert des Verfahrens beträgt 7.200 EUR. Nach OLG Frankfurt soll der Mehrwert des Vergleichs 200.000 EUR betragen.
Es fragt sich allerdings, wo hier der Vergleich bzw. die Einigung i.S.d. VV 1000 liegen soll.
5. Mehrvergleich über anderweitig anhängige Gegenstände
Rz. 52
Wird eine Einigung über anderweitig anhängige Gegenstände geschlossen, entsteht keine gerichtliche Einigungsgebühr nach Nr. 1500 FamGKG-KostVerz., so dass es auch keiner Wertfestsetzung bedarf. Auch für die Anwaltsgebühren bedarf es keiner Wertfestsetzung, da sich der Mehrwert aus dem Verfahrenswert der mitverglichenen Gegenstände ergibt. Zur Abrechnung siehe Rdn 88 ff.
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