Leitsatz
Anlageberater haben mit kritischem Sachverstand aktuelle Pressemitteilungen ständig auszuwerten, wenn sie sich nicht der Gefahr einer Haftung wegen fehlerhafter Anlageberatung aussetzen wollen.
Sachverhalt
Der Kläger machte aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau E Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend. E hatte sich am 10.12.1998 über eine Vermögensanlage beraten lassen. Die Beklagte empfahl die Beteiligung an der stillen Beteiligungsgesellschaft G, woraufhin E einen Beteiligungsbetrag von 50000 EUR zeichnete. Kurz vorher war am 7.12.1998, von der Beklagten unbemerkt, im Handelsblatt in einer kleinen Meldung von 7 Zeilen berichtet worden, das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen habe der Beteiligungsgesellschaft G das Betreiben von Anlagegeschäften untersagt. Das Erscheinen dieser Meldung in einem weiteren Presseorgan konnte nicht belegt werden. Einige Zeit später meldete G Insolvenz an. Nach Auffassung des Klägers hätte die Beklagte die Meldung im Handelsblatt sehen müssen. Sie hätte seine Ehefrau hierauf hinweisen müssen, bzw. die Anlage nicht empfehlen dürfen.
Nach unterschiedlichen Entscheidungen in den Vorinstanzen stellte der BGH klar: Der Anleger, der einen Berater hinzuzieht, darf sich darauf verlassen, über die Spezifika und Risiken einer Anlage umfassend aufgeklärt zu werden. Er darf weiter voraussetzen, dass der Berater alle öffentlich zugänglichen Informationsquellen auswertet. Dies gilt insbesondere für die führenden Organe der Wirtschaftspresse. Die Lektüre des Handelsblatts ist hierbei für einen Anlageberater unverzichtbar, denn das Handelsblatt bietet nach Auffassung des BGH als werktäglich erscheinende Zeitung mit spezieller Ausrichtung auf Wirtschaftsfragen ein Informationsspektrum, ohne das der kundige Anlageberater nicht auskommen kann. Diese Auswertung der Presse durch den Anlageberater hat auch zeitnah zu erfolgen, d.h. in weniger als 3 Tagen nach Erscheinen. Dem Anlageberater muss bewusst sein, dass gerade die Finanzmärkte auf relevante Informationen unmittelbar reagieren und deshalb der Aktualität der Informationen eine besondere Bedeutung zukommt.
Dem Anlageberater wird durch diese Vorgaben auch nichts Unzumutbares abverlangt. Er muss die Presse ja nicht vollständig lesen. Es genügt, wenn er die Artikel auf die Relevanz für die von ihm angebotenen Produkte prüft. In diesem Fall hätte der Anlageberater jedenfalls bereits vor der Beratung am 9.12.1998 Kenntnis von der Untersagungsverfügung des Bundesaufsichtsamts haben müssen. Im Ergebnis war die Empfehlung des Anlageberaters sachlich falsch. Sein Werturteil war unzutreffend. Dies war mangels sachgerechter Auswertung der Presseorgane auch vorwerfbar. Die Pflichtverletzung war für den aufgetretenen Schaden, nämlich dem Verlust des Anlagekapitals, auch kausal. Insoweit wird vermutet, dass die Anlegerin die Anlage nicht getätigt hätte, wenn sie von der Untersagungsverfügung Kenntnis gehabt hätte. Der Schaden durch den verlorenen Anlagebetrag nebst entgangenem erzielbarem Zinsgewinn durch eine übliche festverzinsliche Bankanlage war zu ersetzen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 05.11.2009, III ZR 302/08.