Leitsatz
In der Entscheidung des OLG Frankfurt ging es primär um die Frage, bei Vorliegen welcher Voraussetzungen einem Unterhaltspflichtigen keine fiktiven Einkünfte anzurechnen sind, wenn von ihm behauptet wird, aufgrund von Alkoholabhängigkeit sowie Depressionen und Angstzuständen leistungsunfähig zu sein.
Sachverhalt
Die Parteien waren getrennt lebende Eheleute. Die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder lebten in der Obhut des Klägers, der die Beklagte auf Zahlung von Kindesunterhalt für die drei gemeinsamen Kinder in Anspruch nahm. Die Beklagte bezog lediglich Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts i.H.v. 670,00 EUR monatlich und behauptete, sie sei krankheitsbedingt erwerbsunfähig und deshalb außerstande, sich um Arbeit zu bewerben, geschweige denn einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie sei alkoholabhängig, leide an Depressionen und Angstvorstellungen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Beklagten für die Verteidigung gegen die Klage wurde vom AG zurückgewiesen, das auch der hiergegen eingelegten Beschwerde nicht abhalf. Beim OLG hatte die Beschwerde der Beklagten Erfolg.
Entscheidung
Das OLG hielt hinreichende Erfolgsaussichten für die Verteidigung der Beklagten gegen die gegen sie erhobene Klage für gegeben. Ausweislich des von ihr vorgelegten Bescheides erhalte sie nur Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 670,00 EUR monatlich, so dass sie nicht einmal imstande sei, ihren eigenen angemessenen Unterhalt selbst zu bestreiten. Es müsse daher von ihrer Leistungsunfähigkeit zur Zahlung von Kindesunterhalt ausgegangen werden.
Die Beklagte habe darüber hinaus dargetan, dass sie als gegenüber ihren Kindern Unterhaltspflichtige nicht gegen die ihr obliegende Verpflichtung verstoßen habe, ihre Arbeitskraft in deren Interesse so gut wie möglich einzusetzen.
Nach ihrem Vortrag sei sie krankheitsbedingt erwerbsunfähig und außerstande, sich um Arbeit zu bewerben, geschweige denn einen Arbeitsplatz zu erhalten oder auszufüllen. Sie müsse sich daher nicht ohne weiteres fiktive Einkünfte anrechnen lassen, die sie durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könne.
Die Einkommensfiktion knüpfe in erster Linie an die Arbeitslosigkeit bzw. an eine die unterhaltsrechtlich geforderte Leistungsfähigkeit nicht voll gewährleistende Erwerbstätigkeit des Unterhaltsverpflichteten an, wobei das fehlende Erwerbseinkommen Folge eines erwerbsplanerischen unterhaltsrechtlichen Fehlverhaltens des Unterhaltspflichtigen sein müsse (vgl. hierzu allgemein: Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl. 2007, § 1603 BGB Rz. 34 ff., 37).
Der Beklagten könne nach ihrer Einlassung nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe infolge ihrer Erkrankung, insbesondere aufgrund ihrer Alkoholabhängigkeit, leichtfertig oder verantwortungslos ihre Leistungsunfähigkeit herbeigeführt. Zu berücksichtigen sei, dass sie nicht lediglich an einer Alkoholabhängigkeit leide, sondern an Depressionen und Angstzuständen.
Dies stehe der Annahme entgegen, sie habe schuldhaft nichts unternommen, um vor allen Dingen ihre Alkoholsucht Erfolg versprechend behandeln zu lassen. Der Vorwurf der Leichtfertigkeit werde in Frage gestellt, wenn die Fähigkeit des Bedürftigen, entsprechend seiner Einsicht in die Notwendigkeit einer Therapie zu handeln, suchtbedingt wesentlich eingeschränkt sei (BGH NJW 1981, 2805).
Im Übrigen stehe der Anrechnung fiktiver Einkünfte der Vortrag der Beklagten entgegen, sie könne zu keinem Zeitpunkt Einkünfte erzielen, die es ihr erlauben würden, monatlichen Unterhalt für ihre Kinder in der verlangten Höhe zu zahlen. Sie sei bestenfalls in der Lage, soviel zu verdienen, dass sie nicht auf staatliche Hilfe angewiesen sei.
Eine Einkommensfiktion sei nur dann berechtigt, wenn das Gericht zu dem Ergebnis komme, dass das unterhaltsrechtlich geforderte Bemühen um eine Erwerbsquelle einerseits auch Erfolg gehabt hätte und dem Unterhaltsverpflichteten andererseits in diesem Fall ausreichend Mittel verblieben, so dass er durch die Unterhaltsleistung nicht seinerseits sozialhilfebedürftig werde (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1603 BGB Rz. 33, 51).
Im Beschwerdeverfahren müsse nicht abschließend geklärt werden, ob die Beklagte tatsächlich unverschuldet erwerbsunfähig sei und damit die Anrechnung fiktiver Einkünfte entfalle. Die hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung sei bereits dann zu bejahen, wenn über eine Behauptung der PKH begehrenden Partei Beweis zu erheben sei (Zöller/Philippi, a.a.O., § 114 ZPO Rz. 26 mit weiteren Nachweisen).
Es seien keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte ersichtlich, wonach davon ausgegangen werden müsse, dass eine ggf. durchzuführende Beweisaufnahme zum Nachteil der Beklagten ausgehen werde. Es verbiete sich daher die Feststellung, die von der Beklagten beabsichtigte Rechtsverfolgung sei aussichtslos.
Ihr sei daher Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Link zur Entscheidung
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.11.2007, 7 WF 3/07