Leitsatz
Bei Anrechnung ausländischer Steuern ist der Anrechnungshöchstbetrag zu beachten. Dessen Berechnungsformel verstößt gegen EU-Recht, da sie zu einem zu niedrigen Anrechnungshöchstbetrag führt. Somit wird die ausländische Steuer gegebenenfalls in zu geringem Umfang angerechnet.
Sachverhalt
Die Eheleute Beker sind unbeschränkt steuerpflichtig. In 2007 erzielten sie neben ihren inländischen Einkünften noch Dividendeneinkünfte aus kleinen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften aus mehreren ausländischen Staaten (EU-Staaten und Drittstaaten). In den verschiedenen Quellenstaaten wurden ausländische Steuern i.H.v. insgesamt ca. 2.900 EUR entrichtet. Mit allen betroffenen Staaten hatte Deutschland ein DBA abgeschlossen, das für Dividendeneinkünfte jeweils die Anrechnung der ausländischen Steuer auf die deutsche Einkommensteuer vorsah. Die bei der Anrechnung jeweils zu berücksichtigenden Höchstbeträge beliefen sich auf insgesamt ca. 1.300 EUR. Nur in dieser Höhe wurden die ausländischen Steuern auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet. Die Eheleute Beker beantragten, den Anrechnungshöchstbetrag anders zu berechnen und weitere 1.200 EUR ausländische Steuern anzurechnen.
Wenn unbeschränkt Steuerpflichtige im Ausland Einkünfte erzielen, kann eine Doppelbesteuerung dadurch vermieden werden, dass die im Ausland gezahlte Steuer auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet wird. Die Anrechnungsmethode ist die Standardmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, wenn mit dem ausländischen Staat kein DBA besteht (§ 34c Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 EStG). Die Anrechnung ist dabei auf einen Höchstbetrag begrenzt, der nach der Formel des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG berechnet wird. Besteht mit dem ausländischen Staat ein DBA, kann dieses ebenfalls die Anrechnung der ausländischen Steuer unter Beachtung des Anrechnungshöchstbetrags vorsehen (vgl. Art. 23B Abs. 1 OECD-MA). Übersteigt die ausländische Steuer den Höchstbetrag, wird der übersteigende Betrag nicht mehr angerechnet und kann auch anderweitig nicht mehr berücksichtigt werden, sog. Anrechnungsüberhang. Es verbleibt beim Steuerpflichtigen somit eine effektive (Mehr-) Belastung.
Bei der Prüfung der Formel zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass diese gegen die einschlägige Kapitalverkehrsfreiheit verstoße, welche auch im Verhältnis zu Drittstaaten zu beachten sei. Begründet wird dies damit, dass die Formel die Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände des Steuerpflichtigen nicht vollständig berücksichtige.
Hinweis
Die Entscheidung des EuGH hat große praktische Bedeutung. Zwar betrifft der entschiedene Fall die Anrechnung ausländischer Steuern auf Dividendeneinkünfte des Jahrs 2007 und einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Bis 2008 galten die dargestellten Grundsätze auch für Steuern auf Dividenden- und andere Kapitaleinkünfte – hier erfolgt die Anrechnung jetzt im Rahmen der Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 5 EStG). Für alle anderen Einkünfte und für Kapitaleinkünfte außerhalb der Abgeltungsteuer haben die dargestellten Grundsätze nach wie vor Gültigkeit. Steuerpflichtige, bei denen das Finanzamt eine ausländische Steuer nur begrenzt auf den Anrechnungshöchstbetrag angerechnet hat, sollten jedenfalls gegen die jeweiligen Steuerbescheide unter Verweis auf das EuGH-Urteil Einspruch einlegen und eine entsprechende Anrechnung beantragen.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 28.2.2013, C-168/11.