Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen Betreuungsunterhalt zu gewähren ist. Dabei ging es insbesondere darum, ob der Wunsch der persönlichen Betreuung hinter der kindgerechten zeitlichen Betreuungsmöglichkeit zurückzustehen hat sowie um den Umfang der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um nachehelichen Unterhalt. Sie hatten im Jahre 1990 geheiratet. Aus ihrer Ehe waren drei in den Jahren 1992, 1993 und 1997 geborene Kinder hervorgegangen, die bei der Antragstellerin lebten. Die Eheleute trennten sich im Jahre 2004. Die Ehe wurde im Februar 2008 geschieden.
Beide Parteien waren Ärzte. Beide hatten bei Eheschließung ihr Medizinstudium beendet und im Zeitpunkt der Geburt ihres ersten Sohnes jeweils ihr "AiP" (Arzt im Praktikum) absolviert. Nach der Geburt des ersten Kindes pausierte die Antragstellerin sechs Monate, um anschließend halbtags ihre Tätigkeit als Ärztin wieder aufzunehmen. Auch nach der Geburt des zweiten Sohnes setzte sie sechs Monate aus und arbeitete danach mit einer Drittelstelle weiter. Nach der Geburt des dritten Sohnes arbeitete sie zunächst vertretungsweise und ab 2001 mit einer Drittelstelle. Seit Oktober 2006 war die Antragstellerin halbtags tätig und absolvierte ihre Facharztausbildung. Der Antragsgegner war als leitender Arzt tätig.
Das FamG hat den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt i.H.v. 1.183,00 EUR als Elementarunterhalt zzgl. 349,00 EUR Altersvorsorgeunterhalt monatlich zu zahlen.
Auf die hiergegen von ihm eingelegte Berufung wurde die Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners auf 289,25 EUR Elementarunterhalt und 73,78 EUR Altersvorsorgeunterhalt reduziert und die Berufung im Übrigen sowie die Anschlussberufung zurückgewiesen.
Hiergegen wandten sich die Revisionen der Antragstellerin und des Antragsgegners, mit denen sie ihre Berufungsanträge weiterverfolgten.
Nach Verkündung seines Urteils hat das Berufungsgericht mit einstweiliger Anordnung vom 15. April 2009 dem Antragsgegner aufgegeben, ab Januar 2009 an die Antragstellerin monatlichen Ehegattenunterhalt i.H.v. 1.033,00 EUR Elementarunterhalt und 310,00 EUR Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen. Zur Begründung wurde angeführt, inzwischen stehe das von den Parteien im Jahr 2008 tatsächlich erzielte Einkommen fest. Nach den von ihm vorgelegten Unterlagen habe der Antragsgegner im Jahre 2008 einen Bruttoarbeitslohn von 167.544,12 EUR erhalten. Damit sei sein Einkommen wesentlich höher, als vom Berufungsgericht aufgrund des Einkommens des Antragsgegners im Jahre 2007 und der von diesem zu seiner künftigen Einkommensentwicklung abgegebenen Erklärung angenommen worden sei.
Die Revisionen führten zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Entscheidung
Der BGH wies zunächst darauf hin, dass er sich gehindert sehe, seiner Entscheidung die neuen Tatsachen, namentlich die geänderten Einkommensverhältnisse, zugrunde zu legen, die sich ausweislich der einstweiligen Anordnung des Berufungsgericht vom 15. April 2009 nach Abschluss des Berufungsverfahrens ergeben hätten.
Nach § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO unterliege der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil und dem Sitzungsprotokoll ersichtlich sei. Zwar sei nach ständiger Rechtsprechung des BGH § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereigneten, in die Urteilsfindung einfließen könnten, soweit sie unstreitig seien oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten sei. Der Gedanke der Konzentration der Revisionsinstanz auf die rechtliche Bewertung eines festgestellten Sachverhalts verliere an Gewicht, wenn die Berücksichtigung von neuen tatsächlichen Umständen keine nennenswerte Mehrarbeit verursache und die Belange des Prozessgegners gewahrt blieben (vgl. Senat, Urt. v. 14.10.2009 - XII ZR 146/08, FamRZ 2009, 1990 Tz. 26 f. m.w.N.).
Diese Voraussetzungen lagen nach Auffassung des BGH hier jedoch nicht vor. Es fehle jedenfalls an belastbaren Feststellungen zum Einkommen der Antragstellerin, das sich ebenfalls erhöht habe. Um die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen einer abschließenden Beurteilung zuführen zu können, bedürfe es noch umfassender Feststellungen, die dem Tatrichter vorbehalten bleiben müssten.
Der Anspruch der Antragstellerin auf Betreuungsunterhalt richte sich nach § 1570 BGB in der seit 1.1.2008 geltenden Fassung. § 1570 BGB verlange regelmäßig keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 Abs. 1 S. 3 BGB) und elternbezogenen Gründe (§ 1570 Abs. 2 BGB) sei nach dem neuen Unterhaltsrecht vielmehr ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (BGH BGHZ 180, 170 ...