Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Das Finanzamt kann einer Gesellschaft die Zuteilung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) nicht allein deshalb versagen, weil sie nicht über die materiellen, technischen und finanziellen Mittel zur Ausübung der angegebenen wirtschaftlichen Tätigkeit verfüge und der Gesellschafter bereits mehrfach eine USt-IdNr. für wirtschaftlich tätige Gesellschaften erhalten hat und deren Anteile kurz nach Zuteilung der USt-IdNr. übertragen wurden. Anders wäre es, wenn das Finanzamt anhand objektiver Anhaltspunkte dargelegt hat, dass ernsthafte Anzeichen für den Verdacht auf betrügerische Verwendung der zugeteilten USt-IdNr. besteht.
Sachverhalt
Im lettischen Vorabentscheidungsersuchen verweigerte das Finanzamt der neugegründeten Ablessio SIA die USt-IdNr., da sie nicht über die materiellen, technischen und finanziellen Fähigkeiten zur Ausübung der geplanten Bautätigkeit verfüge. Auch sei die nicht in das Register der Bauunternehmen eingetragene Gesellschaft seit ihrer Gründung keiner effektiven wirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen. Auch habe der einzige Gesellschafter der Ablessio zuvor mehrmals eine individuelle Nummer für andere Unternehmen ohne tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit erhalten und unmittelbar nach der Eintragung auf mittellose Strohmänner übertragen.
Nach Art. 214 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 kann einem Steuerpflichtigen die Zuteilung einer individuellen USt-IdNr. nur versagt werden, wenn ernsthafte Gründe dafür bestehen, dass der Steuerpflichtige die zugeteilte USt-IdNr. betrügerisch verwendet. Hierfür reicht allein nicht aus, dass der Steuerpflichtige nicht über die materiellen, technischen und finanziellen Mittel zur Ausübung der wirtschaftliche Tätigkeit verfügt und dass der Gesellschafter der Steuerpflichtigen für andere Gebilde schon mehrere Anträge auf Vergabe einer USt-IdNr. gestellt hat und jeweils nach Gründung die Gesellschaftsanteile übertragen hat. Der EuGH stellt jedoch ausdrücklich klar, dass es gleichwohl nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Risikos der Steuerhinterziehung derartige Umstände, die durch das Vorliegen anderer objektiver Anhaltspunkte bestätigt werden und die missbräuchliche Absichten des Steuerpflichtigen annehmen lassen, Anzeichen darstellen können, die auch in diesem Fall zu berücksichtigen sind. Diese Gesamtwürdigung hat jedoch das vorlegende nationale Gericht selbst vorzunehmen.
Hinweis
Bekundet eine natürliche Person durch Anmeldung eines Gewerbes ernsthaft ihre unternehmerische Absicht, ist ihr nach dem BFH-Urteil v. 23.09.2009 (II R 66/07) – außer bei offensichtlichem Umsatzsteuermissbrauch – eine USt-IdNr. zu erteilen (vgl. auch BFH, Beschluss v. 26.02.2008, II B 6/08 sowie FG München, Urteil v. 26.1.2012, 14 K 2242/11).
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 14.3.2013, C-527/11.