1 Leitsatz

Auch in verwalterlosen Zweiergemeinschaften kann der einzelne Wohnungseigentümer den Anspruch für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums nicht direkt gegen den Störer geltend machen.

2 Normenkette

§§ 9a Abs. 2, 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG; § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB

3 Das Problem

In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es nur die Eigentümer 1 und 2. Sie haben keinen Verwalter bestellt. Eigentümer 1 ist der Ansicht, Eigentümer 2 sei ein Teileigentümer und dürfe seine Räume, die früher als Metzgerei mit Schlachthaus genutzt wurden und seit einigen Jahren leer stehen, künftig nicht bewohnen. Er klagt daher auf Unterlassung. Das AG weist die Klage ab. Es hält ein "Wohnen" für zulässig, da es bei einer typisierenden Betrachtungsweise nicht mehr störe als die erlaubte gewerbliche Nutzung als Metzgerei mit Schlachthaus. Gegen diese Sichtweise wendet sich 1.

4 Die Entscheidung

Das LG meint, sie Klage sei unzulässig! Eigentümer 1 fehle die Prozessführungsbefugnis. Der einzelne Eigentümer könne von einem anderen Eigentümer nicht verlangen, dass dieser die zweckwidrige Nutzung seiner Räume unterlasse. Dieser Unterlassungsanspruch könne nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden.

Eigentümer 1 sei auch nicht befugt, einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB geltend zu machen. Nach § 9a Abs. 2 Fall 1 WEG sei auch insoweit die Prozessführungsbefugnis der Gemeinschaft der Eigentümer zugewiesen. Dass Eigentümer 1 in erster Instanz zur Begründung seiner Prozessführungsbefugnis ausgeführt habe, er werde durch die Wohngeräusche und -gerüche, die mit der beabsichtigten Wohnnutzung entstehen werden, im räumlichen Bereich seines Sondereigentums beeinträchtigt, ändere nichts. Im Hinblick auf die Prozessführungsbefugnis müsse zwischen der Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich des Sondereigentums und der Abwehr einer behaupteten Verletzung von Binnenrecht durch zweckwidrigen Gebrauch unterschieden werden.

Eigentümer 1 könne den Anspruch auch nicht für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend machen. Die Überlegung, das aus dem Gesellschaftsrecht stammende Institut der actio pro socio auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu übertragen und dem einzelnen Eigentümer damit das Recht einzuräumen, unmittelbar für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu klagen, sei abzulehnen, da hierdurch die Intention des WEMoG, Ansprüche bei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu bündeln, umgangen werde (Hinweis auf LG Frankfurt a. M., Urteil v. 28.1.2021, 2-13 S 155/19). Dies gelte auch, wenn es sich um eine verwalterlose Zweiergemeinschaft handele. Dass die Rechtsdurchsetzung in diesem Fall aufwändiger sein könne und möglicherweise auch mit mehreren Verfahren verbunden sei, rechtfertige die Anerkennung der Klagebefugnis im Weg der actio pro socio nicht, da dem Einzelnen auch anderweitig hinreichender Rechtsschutz gewährt werde.

5 Hinweis

Problemüberblick

Macht ein Wohnungseigentümer geltend, es gebe eine Beeinträchtigung, ist zu klären, ob es um das gemeinschaftliche Eigentum oder das Sondereigentum geht oder ob der Kläger bloß behauptet, der Beklagte handele einer Benutzungsvereinbarung oder einem Benutzungsbeschluss zuwider, ansonsten gebe es aber keine Beeinträchtigung. In diesem "Dschungel" verlaufen sich die Richter in Karlsruhe. Sie erkennen zwar, dass nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für eine Entstörung des gemeinschaftlichen Eigentums und für die Einhaltung des Binnenrechts kämpfen kann. Wird ein Wohnungseigentümer aber im Bereich seines Sondereigentums (künftig) gestört, kann er gegen den Störer vorgehen.

Klage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Der Kläger hätte im Übrigen – wegen § 25 Abs. 4 WEG ohne Beschlussfassung – gegen den Eigentümer 2 namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorgehen können. Darauf hätten ihn AG und LG hinweisen müssen.

6 Entscheidung

LG Karlsruhe, Urteil v. 6.12.2022, 11 S 135/21

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