Leitsatz
Der Klägerin war vom LG Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt worden, soweit sie mit ihrer Klage die Leistung eines Betrages von 50.988,00 EUR begehrte. Der Rechtsstreit wurde im Verhandlungstermin durch Abschluss eines Vergleichs beendet. Die an den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin auszuzahlende PKH-Vergütung wurde von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auf 1.349,88 EUR festgesetzt. Hierbei hat sie einen Betrag von 254,15 EUR abgesetzt, weil der Antragsteller bereits vorgerichtlich für die Klägerin tätig geworden sei und ihm deshalb ein Anspruch gegen seine Mandantin auf Zahlung einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zustehe. Die Hälfte der Geschäftsgebühr - hier 0,65 - sei auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
Hiergegen legte der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin Beschwerde ein. Das LG hat sodann die Entscheidung der Kostenbeamtin aufgehoben und die an den Antragsteller auszuzahlende PKH-Vergütung auf 1.652,32 EUR festgesetzt. Hiergegen wandte sich die Bezirksrevisorin mit der Beschwerde und vertrat die Auffassung, die Urkundsbeamtin habe zu Recht bei der Festsetzung der Vergütung die vom Antragsteller verdiente Geschäftsgebühr in Abzug gebracht.
Das Rechtsmittel hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG verwies auf die Rechtsprechung des BGH, wonach sich gemäß Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 RVG-VV anfallende Verfahrensgebühr durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV vermindere. Diese Rechtsprechung lasse sich jedoch nicht ohne weiteres auf die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gemäß § 55 RVG übertragen.
Grundsätzlich sei der Rechtsanwalt allerdings nicht gehindert, für seine außergerichtliche Tätigkeit gegenüber seinem Mandanten eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV anzurechnen, auch wenn letzterer für das sich anschließende gerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe erhalte. Dem stehe insbesondere § 122 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO nicht entgegen, wonach der beigeordnete Rechtsanwalt Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen könne, da sich diese Vorschrift regelmäßig nicht auf solche Gebühren beziehe, die dem Rechtsanwalt vor der Prozesskostenhilfebewilligung erwachsen seien (Stein/Jonas-Bork, ZPO, 22. A., § 121 Rz. 32; Zöller/Philippi, ZPO, 26. A., § 122 Rz. 11; das übersieht AG Bad Iburg, AGS 2008, S. 58, 58 f.).
Gleichwohl komme eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV grundsätzlich nicht in Betracht, wenn der Partei Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung gewährt worden sei. In diesem Fall seien regelmäßig gemäß § 1 Abs. 2 BerHG die Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe ebenfalls erfüllt. Die Regelungen des BerHG griffen auch dann ein, wenn der Rechtsanwalt im Hinblick auf ein zukünftiges gerichtliches Verfahren notwendige materiell-rechtliche Schritte einleite, etwa indem er ein Mahnschreiben verfasse. Lägen aber Anhaltspunkte dafür vor, dass der Rechtssuchende zu dem Kreis der nach dem BerHG Berechtigten gehöre, sei der Rechtsanwalt gehalten, diesen auf die Möglichkeit von Beratungshilfe hinzuweisen. Versäume er diese Pflicht, könne er von seinem Mandanten allenfalls die Zahlung der Beratungshilfegebühr nach Nr. 2500 RVG-VV, § 44 S. 2 RVG, nicht aber die einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV verlangen.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und vorgerichtlichem Tätigwerden des Rechtsanwalts für seinen Mandanten, falle jedenfalls eine Geschäftsgebühr nach § 2503 RVG-VV an, die bei der Festsetzung der Vergütung nach § 55 RVG in Betracht zu ziehen sei. Gemäß § 2503 Abs. 2 RVG-VV sei die im Rahmen der Beratungshilfe anfallende Geschäftsgebühr auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren zur Hälfte anzurechnen.
Link zur Entscheidung
OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 23.06.2008, 5 W 34/08