Wer einen Hyperlink zu einer Website setzt, auf der urheberrechtswidrig geschützte Werke veröffentlicht worden sind, die dort für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich sind, begeht keine Urheberrechtsverletzung. Diese Auffassung vertritt der Generalanwalt des EuGH Melchior Wathelet in seinen Schlussanträgen zur einer Rechtssache, die jetzt beim EuGH zur Entscheidung ansteht (Rs. C-160/15). Auf die Beweggründe des Verlinkers und darauf, dass er wusste oder hätte wissen müssen, dass die ursprüngliche Wiedergabe der Fotos auf anderen Websites ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers erfolgt ist, komme es nicht an.
Hintergrund des Rechtsstreits ist, dass die Verlegerin der monatlich erscheinenden Zeitschrift "Playboy" eine Fotoreportage über Frau Britt Dekker in Auftrag gegeben hatte. Die Betreiberin einer Website in den Niederlanden setzte später einen Hyperlink zu einer australischen Webadresse, auf der die Fotos ohne Genehmigung zugänglich gemacht worden waren. Trotz entsprechender Aufforderungen weigerte sich die Homepagebetreiberin, den Hyperlink zu löschen. Als die Fotos auf der australischen Website nach einiger Zeit entfernt wurden, setzte sie einen neuen Hyperlink zu einer anderen Webpräsenz, auf der die Fotos ebenfalls zu sehen waren. Beim EuGH landete der Rechtsstreit, nachdem der Hoge Raad der Nederlanden (Kassationshof der Niederlande) ihm Rechtsfragen hierzu vorgelegt hatte.
Die Entscheidung des EuGH steht noch aus, jedoch hat Generalanwalt Melchior Wathelet bereits sein Votum in der Sache vorgelegt. Er führt aus, dass Hyperlinks auf einer Website das Entdecken anderer Internetseiten und der geschützten Werke, die dort zugänglich sind, zwar erheblich erleichtern und den Besuchern der Website damit einen schnelleren und direkteren Zugang zu den geschützten Werken bieten. Durch die entsprechenden Hyperlinks würden die geschützten Werke, sofern sie bereits auf einer anderen Website frei zugänglich seien, aber nicht der Öffentlichkeit "zugänglich gemacht", auch nicht wenn es sich um direkte Hyperlinks handele. Mit den Hyperlinks würde lediglich die Entdeckung der geschützten Werke erleichtert. Die eigentliche "Zugänglichmachung" sei bereits durch die ursprüngliche Wiedergabe erfolgt.
Hyperlinks auf einer Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Internetpräsenz frei zugänglich sind, könnten daher nicht als "Handlung der öffentlichen Wiedergabe" im Sinne der europäischen Urheberrechtsrichtlinie eingestuft werden. Das Tätigwerden des Betreibers der Website, der den Hyperlink setze, sei für die Zugänglichmachung der Fotos für die Internetnutzer nicht unerlässlich. Insoweit komme es auf die Beweggründe desjenigen, der den Hyperlink setze, nicht an.
Der Generalanwalt weist jedoch darauf hin, dass diese Schlussfolgerungen auf der Prämisse beruhen, dass die Fotos auf den Drittwebsites für sämtliche Internetnutzer bereits frei zugänglich waren. Es sei jetzt Sache des niederländischen Kassationshofs, die Tatsachenfrage zu klären, ob ein Tätigwerden der Beklagten unerlässlich war, um den Besuchern ihrer Website die Fotos zugänglich zu machen.
Der Generalanwalt ist der Auffassung, dass jede andere Auslegung des Begriffs "Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit" das Funktionieren des Internets erheblich beeinträchtigen und die Förderung der Entwicklung der Informationsgesellschaft in Europa gefährden würde. Er führt insoweit aus, dass, auch wenn die Umstände im vorliegenden Fall besonders offenkundig seien, die Internetnutzer normalerweise nicht wüssten, ob ein geschütztes Werk, das im Internet frei zugänglich sei, ursprünglich mit oder ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, und sie auch nicht in der Lage seien, dies selbst zu klären. Liefen die Internetnutzer, wenn sie einen Hyperlink zu Werken setzen, die auf einer anderen Website frei zugänglich sind, Gefahr, gerichtlich wegen Verletzung von Urheberrechten belangt zu werden, würden sie noch mehr davor zurückscheuen, solche Links zu setzen, was dem guten Funktionieren des Internets, dessen Architektur als solcher und letztlich der Entwicklung der Informationsgesellschaft abträglich wäre.
[Quelle: EuGH]