Mit Blick auf die Entscheidung des EuGH hat das BAG festgestellt, dass Arbeitgeber bereits heute gesetzlich dazu verpflichtet sind, die gesamte Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Der Entscheidung lag ein Antrag eines Betriebsrats auf Feststellung zugrunde, dass er hinsichtlich der initiativen Einführung einer elektronischen Zeiterfassung im Betrieb ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG habe. Das BAG lehnte – im Gegensatz zum LAG – ein entsprechendes Initiativrecht des Betriebsrats ab.
Als Begründung für die Ablehnung eines initiativen Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG führte das BAG an, ein solches könne dort nicht bestehen, wo der Arbeitgeber bereits gesetzlich zum Handeln verpflichtet sei. Eine eben solche gesetzliche Pflicht enthalte im Hinblick auf die Erfassung der Arbeitszeit von Arbeitnehmern bei unionsrechtskonformer Auslegung der § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Bei der Regelung handele es sich um eine Rahmenvorschrift, nach der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung von Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 ArbSchG unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeit und der Zahl der Beschäftigten für eine "geeignete Organisation" zu sorgen und die "erforderlichen Mittel" bereitzustellen haben. Die Norm enthalte die allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, für eine geeignete Arbeitsorganisation zu sorgen.
Aus dieser Organisationspflicht folgert das BAG bei unionsrechtskonformer Auslegung auch die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung im Betrieb. Arbeitgeber sind daher verpflichtet, ein geeignetes System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen, mit dem Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeiten, einschließlich der Überstunden, im Betrieb erfasst werden.
Zum aktuellen Entwurf des BMAS
Im April 2023 ist ein Entwurf des BMAS zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und weiterer Gesetze an die Öffentlichkeit gelangt. Dieser sieht eine Umsetzung der zuvor dargestellten Anforderungen der Rechtsprechung an die Arbeitszeiterfassung vor, insbesondere durch eine Ergänzung des § 16 ArbZG. Der Entwurf geht insoweit über die bisherige Rechtsprechung hinaus, als dass darin eine Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung geplant ist. Manuelle händische Aufzeichnungen der Arbeitszeit wären danach nicht mehr ausreichend. Ausnahmeregelungen über Aufzeichnungen in nichtelektronischer Form sowie weiteren im Entwurf benannten Abweichungen vom Gesetz sollen durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen möglich sein.
Des Weiteren beinhaltet der Entwurf Übergangsfristen, die jeweils von der Anzahl der beim Arbeitgeber Beschäftigten abhängig sein sollen. Außerdem sollen u. a. Arbeitgeber mit weniger als 10 Arbeitnehmern dauerhaft von der Pflicht zur elektronischen Erfassung der Arbeitszeit ausgenommen sein.
Ob und wann das Gesetz in Kraft tritt, kann derzeit nicht beantwortet werden. Zunächst werden sich Verbände und Gewerkschaften äußern. Erst danach geht es ins Gesetzgebungsverfahren.