Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. Mehraufwandsentschädigung. Arbeitsgelegenheit. arbeitnehmerähnliche Person. Ein-Euro-Job
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung ist für Rechtsstreitigkeiten zwischen dem privaten Maßnahmeträger und dem Hilfebedürftigen der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben.
2. Es handelt sich um ein privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis eigener Art.
3. Der Hilfebedürftige ist als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen.
Normenkette
SGB II § 16; ArbGG §§ 5, 2
Nachgehend
Tenor
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung der zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehung.
Der Kläger ist arbeitslos und bezieht ein monatliches Arbeitslosengeld von zur Zeit 540,46 EUR.
Auf entsprechenden Vorschlag seitens des für den Kläger zuständigen JOBCenters Spandau bewarb sich der Kläger bei der Beklagten um eine Beschäftigung mit Mehraufwandsentschädigung. Wegen Inhalt und Form des Vorschlages wird auf das vom Kläger als Muster eingereichte Schreiben vom 26.5.2005 verwiesen.
Unter dem 11.10.2004 schlossen die Parteien eine Vereinbarung über die Bereitstellung/Annahme einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im gemeinnützigen Projekt „Umweltbildung für Kinder”. Danach übernimmt der Kläger für die Zeit 11.10.2004 bis 10.7.2005 die Erledigung sämtlicher büroorganisatorischer Arbeiten des Projekts bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden und einer Mehraufwandsentschädigung in Höhe von 1,50 EUR je Arbeitsstunde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 8 ff d.A. verwiesen.
Der Kläger nahm seine Tätigkeit vertragsgemäß am 11.10.2004 auf.
Mit Schreiben vom 6.4.2005 erklärte die Beklagte die „Beendigung” der bestehenden Vereinbarung zum 7.4.2005.
Der Kläger begehrt mit der Klage die Feststellung, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 7.4.2005 beendet worden ist, sondern bis zum 10.7.2005 fortbestand.
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen gerügt.
Entscheidungsgründe
II.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 b) ArbGG zulässig.
1.
Es handelt sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit.
Die rechtliche Einordnung der Rechtsbeziehung zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Maßnahmeträger bei Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II ist streitig.
Unter der Geltung von § 19 BSHG, der Vorgängerbestimmung, entstand nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur bei Beschäftigung mit Mehraufwandsentschädigung ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis (s. z.B. Oestreicher/Schelter/Kunze/Decker, BSHG, § 19 Rdnr. 11 mit weiteren Nachw.). Danach war der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet.
Diese Ansicht ist jedoch auf § 16 SGB II nicht ohne weiteres übertragbar. Unter der Geltung von § 19 BSHG erfolgte die Heranziehung zu den damals als gemeinnützig und zusätzlich bezeichneten Arbeiten nach allgemeiner Ansicht durch Verwaltungsakt. Dabei schufen die Sozialämter die Arbeitsgelegenheit regelmäßig bei sich selbst.
Dies ist unter der Neuregelung anders. Im vorliegenden Fall wurde – wie derzeit gängige Praxis – die Arbeitsgelegenheit nicht vom Leistungsträger (der Arbeitsagentur) selbst, sondern gemäß § 17 SGB II von einer Dritten, hier der Beklagte, vorgehalten. Diese ist eine gemeinnützige GmbH, also keine Behörde, und kein Träger öffentlicher Verwaltung. Sie ist keine „Beliehene” und übt daher keine öffentlich-rechtliche Gewalt aus. Das JobCenter hat den Kläger auf die Arbeitsgelegenheit hingewiesen und ihn zur Bewerbung bei der Beklagten aufgefordert. Daraufhin hat der Kläger sich bei der Beklagten gemeldet und mit ihr – nach entsprechender Vorstellung – den Vertrag über die Beschäftigung abgeschlossen. In diesem Vertrag haben beide Parteien die gegenseitigen Rechte und Pflichten, z.B. die Dauer der Arbeitszeit, deren Verteilung auf die Wochentage, das Führen von Anwesenheitslisten, das Verhalten bei Arbeitsunfähigkeit und den Umgang mit Eigentum der Beklagten, festgehalten.
Im Übrigen existiert auch ein Verwaltungsakt nicht. Insbesondere ist in dem Schreiben des JobCenters an den Kläger, mit dem die Arbeitsstelle vorgeschlagen wurde, ein Verwaltungsakt nicht zu erkennen. Das Vorschlagsschreiben begründet noch keinen verbindlichen Einsatz. Das „Angebot” bzw. der „Vorschlag” stellt – wie schon der Wortlaut deutlich macht – nicht die eigentliche Regelung dar, sondern dient allenfalls der Vorbereitung der eigentlichen Sachentscheidung. Eine Sachentscheidung ist gerade nicht erlassen worden. Das Vorschlagsschreiben kann daher nicht als Verwaltungsakt qualifiziert werden (so auch BSG, Urteil v. 19.1.2005 – B 11a/11 AL 39/04 zum Beschäftigungsangebot nach § 144 Abs. 1 SGB III; str.; siehe LSG Hamburg, Beschluss vom 11....