Entscheidungsstichwort (Thema)
örtliche Zuständigkeit. Angelegenheit des Gesamtbetriebsrats. Unternehmensbezug
Leitsatz (amtlich)
1. Für betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten, in denen es u. a. um die Frage geht, ob für eine Angelegenheit der örtliche Betriebsrat oder der Gesamtbetriebsrat originär zuständig ist, ist das Arbeitsgericht am Sitz des Unternehmens örtlich zuständig, es sei denn, die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ist offensichtlich ausgeschlossen.
2. Dies gilt auch dann, wenn für eine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition mehrere Rechtsgrundlagen in Betracht kommen und sich die Frage nach der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nur bei einer nachrangig zu prüfenden Rechtsgrundlage stellt.
Normenkette
ArbGG § 82 Abs. 1 S. 2; BetrVG § 50 Abs. 1 S. 1
Tenor
I. Das Arbeitsgericht Berlin erklärt sich für örtlich unzuständig.
II. Das Verfahren wird an das Arbeitsgericht Lübeck verwiesen.
Tatbestand
I.
In dem vorliegenden Beschlussverfahren begehrt der Beteiligte zu 1., der Beteiligten zu 2. im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es zu unterlassen, einen vom Kalendermonat abweichenden Zeitraum zur Bestimmung der Entgeltabrechnung zugrunde zu legen, solange der Betriebsrat, hilfsweise der Gesamtbetriebsrat seine Zustimmung hierzu nicht erteilt hat oder die Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.
Die Beteiligte zu 2., die ihren Sitz in A hat, übernahm zum 1. April 2008 von der B-GmbH und Co. KG das Kino C sowie ein weiteres Berliner Kino, das D. Außerdem betreibt sie ein Kino in E. Für die drei Kinobetriebe ist jeweils ein Betriebsrat gebildet. Der Beteiligte zu 1. ist der für das Kino C gebildete Betriebsrat. Ein Gesamtbetriebsrat besteht.
Zum Zeitpunkt der Übergangs der Berliner Kinobetriebe auf die Beteiligte zu 2. galt für die Kinobetriebe der B-GmbH und Co. KG die zwischen dieser und dem Gesamtbetriebrat B-GmbH und Co. KG unter dem 23. Dezember 2003 abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung über die Abrechnung und Auszahlung der Entgelte von Vollzeit- und Teilzeitmitarbeitern einschließlich geringfügig Beschäftigter (im Folgenden GBV, Bl. 10 – 13 d. A.). Bei der Beteiligten zu 2. bestand keine entsprechende Betriebsvereinbarung. Bis einschließlich Juni 2010 rechnete die Beteiligte zu 2. ebenso wie vor dem Betriebsübergang die B-GmbH und Co. KG die Entgelte bezogen auf den Kalendermonat ab.
Zum 1. Juli 2010 veränderte die Beteiligte zu 2. ohne Zustimmung des Beteiligten zu 1. oder des Gesamtbetriebsrats die Abrechnungszeiträume in Anlehnung an die so genannten Kinowochen dahin, dass die Entgelte für den Zeitraum vom letzten Donnerstag des Vormonats bis zum letzten Mittwoch des laufenden Monats abgerechnet werden. Lediglich im Juni und Dezember soll aus bilanztechnischen Gründen noch eine auf das Ende des Kalendermonats bezogene Abrechnung erfolgen. Die Entgeltabrechnungen werden zentral in A von einer Servicegesellschaft erstellt.
Der Beteiligte zu 1. meint, durch die Veränderung der Abrechnungszeiträume verstoße die Beteiligte zu 2. gegen die GBV, jedenfalls aber gegen sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. Auch dann, wenn für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts der Gesamtbetriebsrat zuständig sei, stehe ihm, solange mit dem Gesamtbetriebsrat keine Regelung getroffen sei, nach § 80 Abs. 1 BetrVG ein Unterlassungsanspruch zu. Diesbezüglich verweist er auf die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 16. Juli 2009 – 18 TaBV 446/09 – (juris).
Die Beteiligte zu 2. ist der Auffassung, ein Verstoß gegen die GBV liege schon deshalb nicht vor, weil diese hinsichtlich der Abrechnungszeiträume keine Regelung enthalte. Abgesehen davon unterliege die Festlegung der Abrechnungszeiträume nicht der Mitbestimmung des Beteiligten zu 1. Ein Mitbestimmungsrecht ergebe sich weder aus § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG, noch aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Jedenfalls aber fiele ein etwaiges Mitbestimmungsrecht nicht in die Zuständigkeit des Beteiligten zu 1., sondern in die des Gesamtbetriebsrats. Eine unternehmenseinheitliche Regelung sei technisch zwingend erforderlich, weil das Abrechnungsprogramm sämtliche Betriebe buchhalterisch nur als einen „Klienten” erfassen könne.
Entscheidungsgründe
II.
Das Arbeitsgericht Berlin ist örtlich unzuständig. Örtlich zuständig ist nach § 82 Abs. 1 Satz 2 ArbGG vielmehr das Arbeitsgericht A. Das Verfahren war deshalb nach § 80 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 48a Abs. 1 ArbGG, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen durch die Kammer an das Arbeitsgericht A zu verweisen.
1. Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist in § 82 ArbGG abschließend und zwingend geregelt. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Betrieb liegt. In Angelegenheiten des Gesamtbetriebsrats ist nach § 82 Abs. 1 Satz 2 ArbGG jedoch das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Unternehmen seinen Sitz hat. Sinn und Zweck letzterer Regelung ist es, für zentral...