Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge. dauernde Arbeitsunfähigkeit und Umschulung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Umschulung zu einem berufsqualifizierenden Abschluss ist ein wichtiger Grund im Sinne des § 50 Abs. 2 BAT.

2. Die Teilnahme an einer berufsfördernden Leistung in Form einer Umschulung stellt für eine in der bisherigen Tätigkeit dauernd arbeitsunfähige Arbeitnehmerin einen wichtigen Grund für unbezahlten Sonderurlaub nach § 50 Abs. 2 BAT unabhängig davon dar, ob die angestrebte Qualifikation eine Weiterbeschäftigung bei dem bisherigen Arbeitgeber ermöglicht.

 

Normenkette

BAT § 50 Abs. 2

 

Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom … bis einschließlich zum … Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge gemäß § 50 Abs. 2 BAT zu gewähren.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,– EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien, streiten um einen Sonderurlaub für die Klägerin ohne Fortzahlung der Bezüge.

Die Klägerin ist … alt, … und seit dem … bei der Beklagten … beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Seit dem 03.11.2000 ist die Klägerin ununterbrochen arbeitsunfähig krank. Ob die Klägerin weiter arbeitsunfähig sein wird, ist streitig.

Die Klägerin begehrt Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge, um eine Umschulung … vom … bis … zu absolvieren. Inwieweit die entsprechende Beantragung für den konkreten Zeitraum vor Klageerhebung bei der Beklagten vorlag, ist streitig.

Die Klägerin trägt vor, dass es sich bei der Umschulung um einen berufsqualifizierenden Abschluss handele. Dieses sei vom Bundesarbeitsgericht als wichtiger Grund anerkannt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom … bis einschließlich zum … Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge gem. § 50 Abs. 2 BAT zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dass dienstliche Gründe dem klägerischen Begehren entgegenstehen würden. Die Klägerin habe sich im Vorfeld mit ihrem Antrag vom … unklar geäußert, da dieser keinen konkreten Zeitraum für den Urlaub beinhaltet habe. Am … habe die Klägerin noch erklärt, mit Beginn der Umschulung das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen. Es sei auch unklar, ob die Klägerin nach Absolvierung der Umschulung in dem alten oder neuen Beruf eingesetzt werden könne. Der Klägerin gehe es nicht um den Sonderurlaub, sondern um das Festhalten an ihrem Arbeitsplatz. Im übrigen könne die Beklagte keine Neueinstellungen vornehmen.

Gem. § 313 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG wird wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Gem. § 313 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG beruht das Urteil, kurz zusammengefasst, auf folgenden Erwägungen:

1.

Die zulässige Klage ist begründet, weil die Klägerin Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge aus einem wichtigen Grund verlangt und die dienstlichen Verhältnisse dieses gestatten.

Die Teilnahme an einer berufsfördernden Leistung in Form einer Umschulung stellt für einen in der bisherigen Tätigkeit dauernd arbeitsunfähigen Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für unbezahlten Sonderurlaub nach § 50 Abs. 2 BAT unabhängig davon dar, ob die angestrebte Qualifikation eine Weiterbeschäftigung bei dem bisherigen Arbeitgeber ermöglicht (so auch LAG Bremen, Urt. v. 15.08.2000 – 1 Sa 94/00 – ZTR 2001, Seite 83). Entsprechendes hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung 9 AZR 426/00 vom 30.10.2001 für die Zulassung zum Hochschulstudium auf dem 2. Bildungsweg entschieden. Zwar ist streitig, ob die Klägerin dauerhaft in ihrem bisherigen Beruf arbeitsunfähig sein wird, doch ging die Kammer davon aus, dass eine nahezu dreijährige ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit einer dauernden Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen ist, sofern nicht konkrete Tatsachen für eine alsbaldige Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit vorliegen.

Da die Klägerin einen wichtigen Grund für den Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge hat, können nach § 50 Abs. 2 BAT nur substantiiert dargelegte betriebliche oder dienstliche Verhältnisse noch der Gewährung des Sonderurlaubs entgegenstehen.

Soweit die Beklagte sich darauf beschränkt hat darzulegen, dass die Klägerin sich unklar geäußert habe, vermag das nicht als dienstlicher entgegenstehender Grund angesehen werden. Denn unklare Arbeitnehmeräußerungen begründen in keinem Fall einem Sonderurlaub nach § 50 Abs. 2 BAT entgegenstehende dienstliche Verhältnisse.

Maßgeblich ist, dass die Beklagte auf die Arbeitsleistung der Klägerin nicht nur allgemein, sondern sehr konkret nicht verzichten kann. Zwar mag es grundsätzlich möglich sein, dass ein Arbeitgeber generell beschließt, keine Neueinstellungen mehr vorzunehmen, so dass auch eine Ersatzkraft für die Dauer de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge