Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausländerfeindliche Äußerungen. Substantiierungsmaßstab. Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist einem Arbeitgeber nicht zuzumuten, einen Arbeitnehmer zu beschäftigen, der ausländerfeindliche Tendenzen offen zur Schau trägt.
2. Ausländerfeindliche Äußerungen im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit stellen grundsätzlich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar.
3. Eine Abmahnung ist dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer für sein Verhalten von vornherein nicht mit der Duldung des Arbeitgebers rechnen kann. Kein Arbeitnehmer kann erwarten, sein Arbeitgeber werde ausländerfeindliche Äußerungen dulden und eine Herabsetzung von anderen Mitarbeitern im Betrieb oder gar seiner eigenen Person hinnehmen.
4. Im Zusammenhang mit ausländerfeindlichen Herabwürdigungen gilt ein besonderer Substantiierungsmaßstab. Es ist ausreichend, dass der Tatkomplex als solcher substantiiert dargelegt wird, ohne dass jede Äußerung des Täters einem entsprechenden Datum, beziehungsweise einer entsprechenden Uhrzeit zugeordnet werden muss. Dieser Maßstab gilt jedenfalls bei jahrelangen nahezu täglich Diskriminierungen und ausländerfeindlichen Herabwürdigungen, sofern sich zumindest exemplarisch der eine oder andere Sachverhalt konkretisieren lässt.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 16.000,– EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine fristlose und zwei fristgemäße Kündigungen wegen ausländerfeindlicher herabwürdigender Äußerungen des Klägers gegenüber einem deutschen Arbeitskollegen polnischer Herkunft.
Der Kläger ist 47 Jahre alt, verheiratet und einer 11jährigen Tochter zum Unterhalt verpflichtet. Er ist seit dem 24. Juni 1991 zuletzt als Spezialwagenfahrer mit 24 anderen Mitarbeitern in der Kanalbetriebsstelle Wedding mit ca. 3.200,– EUR brutto monatlich beschäftigt gewesen. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2005 (Bl. 11-12 d.A.), dem Kläger zugegangen am 6. Oktober 2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. Juni 2006. Mit einem weiteren Schreiben vom 17. Mai 2006 (Bl. 109-111 d.A.), dem Kläger zugegangen am 22. Mai 2006, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nochmals fristgemäß zum 31. Dezember 2006.
Mit Wirkung ab 1. August 2001 haben die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtpersonalrat eine Dienstvereinbarung über partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz vereinbart. Nach § 2 dieser Dienstvereinbarung sind alle Beschäftigten zur Einhaltung des Arbeitsfriedens, zu einem partnerschaftlichen Verhalten und zu einem kollegialen Miteinander verpflichtet. Weiter heißt es dort, dass das Achtung, Respekt und Wertschätzung vor der Persönlichkeit und Würde eines jeden Beschäftigten bedeute. Nach § 3 dieser Dienstvereinbarung gehören partnerschaftliches Verhalten und kollegiales Miteinander zu den Führungsaufgaben im Unternehmen. Alle Führungskräfte hätten hier Vorbildfunktion und nähmen auch diesbezüglich Führungsaufgaben und Verantwortlichkeiten wahr. Nach § 6 dieser Dienstvereinbarung berät ein Expertenteam über Vorgänge und Verstöße nach Maßgabe der dieser Dienstvereinbarung.
Der Personalratsvorsitzende der Säule Abwasser legte am 21. September 2005 dem Fachbereichsleiter Personalservice ein Schreiben des Arbeitnehmers G. vom 15. September 2005 an den Personalrat Abwasser vor. In diesem Schreiben hatte Herr G. ausgeführt: „… Seit einiger Zeit häufen sich verbale Angriffe und Beleidigungen gegen mich wegen meiner polnischen Herkunft. Normalerweise sehe ich darüber hinweg, vielleicht soll es auch eine besondere Art Humor sein, aber jetzt will ich mir das nicht mehr gefallen lassen. Ich leiste gute Arbeit und arbeite mit jedem gerne zusammen, darum verstehe ich nicht, warum die Kollegen D. R. und J. L. mich so schlecht behandeln. Damit sie verstehen was ich meine hier einige Beispiele:
- Polenschwein
- deinen Namen hast du sowieso von einem Grabstein
- unter polnischer Führung arbeite ich nicht
- wenn es Hitler noch geben würde wärst du überhaupt nicht hier
- heute muß ich wieder mit dem Pollacken zusammenarbeiten
- als mein Sohn geboren war: wieder ein Polenschwein mehr auf der Welt
Natürlich habe ich die Kollegen gebeten, das bleiben zu lassen. Aber es fängt immer wieder an. Die Kollegen Di. Ra. und A. Rö. stehen als Zeugen zur Verfügung.
Ich bitte Sie um geeignete Unterstützung, damit solcher Unfug in Zukunft unterbleibt. Meinen Chef – Herrn Sch. – habe ich bisher hiermit nicht belästigt. Über dieses Schreiben jedoch ist er informiert.”
Am 27. September 2005 hörte die Beklagte die beiden beschuldigten Arbeitnehmer sowie die Zeugen Ra. und G. an. Bei diesem Gespräch war das Personalratsmitglied J. B. anwesend. Der Zeuge Rö. hatte im Hinblick auf seine Urlaubsabwesenheit am 27. September 2005 bereits unter dem 22. September eine schriftliche Stellungnahme (Bl. 24 d.A.) abgegeben.
Der Kläger bestreitet das Vorliegen ...