Entscheidungsstichwort (Thema)
unentgeltliches Praktikum. Lohnwucher
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Vertragsverhältnis, bei dem nicht der Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen, sondern die Erbringung von Arbeitsleistung im Vordergrund steht, handelt es sich nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitverhältnis.
2. Vereinbaren die Vertragsparteien, dass die Arbeitsleistung unentgeltlich erbracht werden soll, liegt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung i.S.d. § 138 Abs. 2 BGB vor.
3. Ein Arbeitgeber, der mit einen Sozialhilfeempfänger, der ausgebildeter Wassersportlehrer ist, im Hinblick auf eine eventuell spätere Einstellung im Rahmen eines bezahlten Arbeitsverhältnisses einen Vertrag über ein unentgeltliches Praktikum als Leiter einer Bootsstation und Segellehrer abschließt, nutzt dessen wirtschaftliche Zwangslage aus.
4. Hat der Arbeitgeber gegenüber dem Sozialamt eine bestimmte Vergütung als die dem Sozialhilfeempfänger in Aussicht gestellte Vergütung angegeben und beurteilt das Sozialamt die angegebene Vergütung als ortsüblich, liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die angegebene Vergütung nicht dem allgemeinen Lohnniveau in dem Wirtschaftsgebiet und der Branche i.S.d. § 612 Abs. 2 BGB entspricht, beim Arbeitgeber.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 2, § 612 Abs. 2
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 1.4.2002 ein Arbeitsverhältnis besteht.
II.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.400,00 EUR brutto (fünftausendvierhundert) abzüglich 1.823,29 EUR netto (eintausendachthundertdreiundzwanzig 29/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2002 zu zahlen.
III.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2 VWDS – Instruktionsordner für Segel und Katamaran herauszugeben.
IV.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
V.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu ¼ dem Beklagten zu ¾ auferlegt.
VI.
Der Streitwert wird auf 11.897,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten, über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, Entgelt- und Herausgabeansprüche.
Der 38 Jahre alte und für zwei Kinder unterhaltspflichtige Kläger, der von Beruf Werkzeugmacher ist, nahm von Mai 2001 bis März 2002 an einem Ausbildungslehrgang zum Segel- und Wassersporttrainer teil. Während der Ausbildung absolvierte er ein Praktikum als Wassersportlehrer in der Yacht-Akademie A. Im März 2002 schloss er die Ausbildung mit Erfolg ab und erhielt mit Schreiben vom 12. Juni 2002 die Ausbildungs- und Prüfungslizenz für Jollen sowie die Prüfungslizenz für Katamaran des Verbands Deutscher Windsurfing und Wassersportschulen e.V. (VDWS) übersandt. Ferner verfügt er über eine Tauchlehrerlizenz, den Sportbootführerschein Binnengewässer und seit dem 16. Juni 2002 auch über den Sportbootführerschein See.
Der Beklagte betreibt mehrere Bootsverleihstationen u. a. den Bootsverleih R und bietet neben dem Verleih von Booten verschiedene Wassersportkurse an. Die Wassersportsaison dauert von Anfang/Mitte April bis Mitte/Ende September. In den übrigen Monaten findet allenfalls theoretischer Unterricht statt.
Anfang 2002 bewarb sich der Kläger bei dem Beklagten um eine Stelle ab April 2002 als Katamaran-, Jollen- Tauchinstrukteur. Wegen der Einzelheiten des Bewerbungsschreibens wird auf dessen Ablichtung (Bl. 39 d.A.) verwiesen. Anfang März 2002 führten die Parteien ein Bewerbungsgespräch und kamen überein, dass der Kläger als Stationsleiter des Bootsverleihs R sowie als Segel-, Katamaran- und Motorbootlehrer für den Beklagten tätig werden sollte. Der weitere Inhalt des Bewerbungsgespräches ist zwischen den Parteien streitig. Am 25. März 2002 nahm der Kläger seine Tätigkeit für den Beklagten auf. Mit beim Sozialamt L am 02. April 2002 eingegangenem Schreiben beantragte der Beklagte formlos eine Förderung der Einstellung des Klägers mit vorherigem Praktikum. Mitte April 2002 übersandte das Sozialamt dem Beklagten die Unterlagen für die Beantragung eines Lohnkostenzuschusses. Am 21. Mai 2002 ging der auf den 29. April 2002 datierte Antrag beim Sozialamt ein. Darin beantragte der Beklagte einen Lohnkostenzuschuss für eine Einstellung des Klägers ab dem 01. Juni 2002 mit 40 Wochenstunden gegen eine monatliche Brutto Vergütung von 1.800,00 EUR brutto. Ende Mai 2002 teilte das Sozialamt dem Beklagten telefonisch mit, dass ein Lohnkostenzuschuss bewilligt werde. Während einer Party am 30. Mai 2002 äußerte sich der Beklagte gegenüber der Freundin des Klägers sehr zufrieden über die Arbeit des Klägers, lobte dessen Einsatz und dessen Qualitäten als Segellehrer und sagte: „Mit M möchte ich beruflich etwas auf lange Zeit machen”. Mit Bescheid vom 04. Juni 2002, welcher dem Beklagten am 12. Juni 2002 zugestellte wurde, bewilligte das Sozialamt einen Lohnkostenzuschuss in Höhe von 720,00 EUR monatlich für die Zeit vom 01. Juni 2002 bis zum 31. Mai 2003. Am 26. Juni 2002 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er werde nicht mehr zur Arbeit erscheinen, sondern von seinem Zu...