Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung. Versetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Recht, sich auf die Unwirksamkeit einer Versetzung berufen zu können, kann verwirken.
2. Eine Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte über einen längeren Zeitraum in zurechenbarer Weise sein Recht nicht geltend gemacht hat – Zeitmoment – und er dadurch objektiv den Eindruck erweckt hat, er werde das Recht nicht mehr ausüben, die Gegenpartei darauf vertraute und vertrauen durfte und eine Vertrauensinvestition leistete, die ihre Inanspruchnahme nunmehr bei einer Gesamtabwägung nach Treu und Glauben als unzumutbar erscheinen lässt – Umstandsmoment (Vertrauenstatbestand; Vertrauen; Vertrauendürfen; Vertrauensinvestition; Unzumutbarkeit).
3. Wird ein Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung in einen (Nicht-) Beschäftigungsbetrieb mit der Aufgabe der Qualifizierung und Vermittlung versetzt, ist für eine Verwirkung das Zeitmoment erfüllt, wenn der Arbeitnehmer keinen Widerspruch erhebt und sich mehr als zwei Jahre lang versetzungskonform verhält. Beim Umstandsmoment ist die potenzielle Belastung des Arbeitgebers bei Inanspruchnahme durch andere Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage zu berücksichtigen.
Normenkette
BGB § 242; ZPO § 256 Abs. 1
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.775,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Versetzungen und über einen Beschäftigungsanspruch der Klägerin zu ihren alten Arbeitsbedingungen.
Die 1952 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin steht unter Anrechnung einer Vorbeschäftigungszeit seit dem 01.01.1980 bei der Beklagten, der D. T. AG, in einem Arbeitsverhältnis, zuletzt eingruppiert in der Tarifgruppe 2 mit einem monatlichen Bruttoeinkommen i.H.v. 2.925,– EUR.
Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Unternehmenstarifverträge der Beklagten Anwendung.
Die Klägerin war vor dem 01.12.2001 zuletzt im Ressort Finanzbuchhaltung in der Niederlassung TNL Potsdam tätig. Dort bestand ihre Arbeit u.a. in „Buchhaltung, Planung in Personalangelegenheiten, Finanzbuchhaltung” und in einer Tätigkeit als „ROS – Mitarbeiterin (Ressourcen, Organisation, Service)”. Das Ressort Finanzbuchhaltung wurde von der Beklagten in den zentralen Betrieb Bilanzen verlagert. Die Klägerin wurde nicht in den Betrieb Bilanzen versetzt, sondern auf Empfehlung der örtlichen Clearingstelle unter Zustimmung des Betriebsrats mit Schreiben vom 23.10.2001 mit Wirkung zum 01.12.2001 in das PMS Ressort ihrer Niederlassung versetzt. Die Klägerin widersprach der Versetzung nicht und erklärte auch keinen Vorbehalt. Sie gehörte dem PMS Ressort vom 01.12.2001 bis zum 30.11.2002 an. Aufgabe der PMS-Ressorts war nach dem Tarifvertrag Nr. 33 vom 06.07.1997 die Vermittlung der dann so genannten „Transferkräfte” in neue Dauerarbeitsplätze innerhalb und außerhalb der Niederlassungen, die Qualifizierung der Beschäftigten und die befristete Vermittlung bei einem vorübergehenden Bedarf.
In der Tarifrunde 2002 vereinbarte die Beklagte mit der ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e.V. den „Tarifvertrag Rationalisierung (TV Ratio)” vom 12.04.2002, der mit Wirkung vom 31.07.2002 durch den „Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (Tarifvertrag Ratio)” vom 29.06.2002, in Kraft seit dem 31.07.2002 (im Folgenden TV Ratio 2002) abgelöst wurde. Mit Tarifvertrag vom 21. Oktober 2003 wurde der TV Ratio 2002 in hier nicht weiter interessierenden Punkten modifiziert.
Der TV Ratio 2002 schuf zum 31.07.2002 „V.” (alias VQE bzw. P.) als eigenständigen Betrieb der Beklagten, in den Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz von Personalbedarfsreduzierungen betroffen war, versetzt wurden. Die Beklagte erklärte im Gegenzug einen Kündigungsverzicht zuletzt bis zum 31.08.2008. Ziel von V. soll es nach dem TV Ratio 2002 sein, Mitarbeitern einen gleichwertigen und zumutbaren Arbeitsplatz zu vermitteln. Dazu erstellte V. eine Gesamtübersicht über neu zu besetzende Stellen, eine Intranet-Stellenbörse, richtete Qualifizierungsangebote ein, vermittelte in Projekt- und Zeitarbeit und kooperierte mit strategischen Partnern wie der Bundesagentur für Arbeit etc. Nach § 7 Abs. 7 TV Ratio 2002 verliert ein Arbeitnehmer, der ein zumutbares Angebot eines anderen Arbeitsplatzes ablehnt, seine Rechte aus dem Tarifvertrag und soll einen wichtigen Kündigungsgrund i.S.d. § 25 IV, 26 MTV verwirklichen.
Nach dem TV Ratio 2002 wurden „Transferkräfte” der PSM-Ressorts der einzelnen Niederlassungen nach V. versetzt (Protokollnotiz zu § 5 des TV Ratio 2002) – dies ohne ein erneutes Clearing-Verfahren. Mit Schreiben vom 09.01.2003 wurde die Klägerin mit Zustimmung des Betriebsrats der Technikniederlassung Potsdam vom 22.11.2002 und des Betriebsrats der P. „rückwirkend” zum 01.12.2002 in die P./V. versetzt. Die Klägerin widersprach der Versetzung nicht und erklärte auch keinen Vor...