Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit. Feststellungsinteresse. Arbeitnehmerüberlassung. Streit zum Schein. Repräsentativität. mündliche Verhandlung. Entscheidung nach Lage der Akten
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Feststellungsklage nach § 9 TVG, die eine tarifvertragsschließende Partei gegen den Tarifvertragspartner über das Bestehen des Tarifvertrages führt, setzt nach § 256 Abs. 1 ZPO voraus, dass das besondere Feststellungsinteresse gerade gegenüber dem beklagten Tarifvertragspartner besteht. Ein Feststellungsinteresse gegenüber Dritten oder der Allgemeinheit reicht nicht hin.
2. Das Feststellungsinteresse im Rahmen einer Klage nach § 9 TVG ist dann gegeben, wendet sich der beklagte Tarifvertragspartner in aktiver Wahrnehmung seiner Rolle als sozialer Gegenspieler des Klägers von dem einst geschlossenen Tarifvertrag ab und propagiert nachhaltig dessen Nichtbestehen. Bloße rechtliche Zweifel am Bestehen des Tarifvertrages reichen nicht hin.
3. Zwischen der Tarifgemeinschaft C. Gewerkschaften für Z. und P. CGZP und dem Bundesarbeitgeberverband der P. e.V. BAP besteht ein Streit über das Bestehen der in den Jahren 2003 bis 2010 zwischen der CGZP und den Vorgängerorganisationen des BAP geschlossenen Tarifverträgen nur zum Schein.
4. Den Mitgliedsvereinigungen der CGZP kommt eine Repräsentativität als Tarifvertragspartei im Sinne von § 3a Abs. 4 Satz 2 AÜG n.F. nicht zu.
5. Die Güteverhandlung stellt eine frühere mündliche Verhandlung dar, welche es gestattet, im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer in vollständiger Besetzung nach Lage der Akten zu entscheiden.
Normenkette
TVG § 9; ZPO § 251a Abs. 2, § 256 Abs. 1, § 331a S. 2; ArbGG § 54 Abs. 1
Tenor
I. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
III. Der Wert der Beschwer der Klägerin wird auf 1.000.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Gegenstand dieses Klageverfahrens ist die Frage der Wirksamkeit einer Reihe von Tarifverträgen.
Zum 01. Januar 2003 trat das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in der Fassung der so genannten „Hartz-I-Reform” in Kraft. Dieses ordnet in § 9 Nr. 2. Halbsatz 1 AÜG an, dass Vereinbarungen zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen, unwirksam seien. Von diesem Grundsatz macht § 9 Nr. 2. Halbsatz 3 AÜG die Ausnahme, dass ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulassen könne. § 9 Nr. 2. Halbsatz 4 AÜG gestattet zudem, dass im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren können.
Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Möglichkeit, durch Abschluss und Anwendung von Tarifverträgen die Arbeitsbedingungen für Leiharbeitnehmer bei dem Verleiher verschlechtern und insbesondere die Arbeitsentgelte absenken zu können, gründete sich die Beklagte in dem Verständnis, eine gewerkschaftliche Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 2 und 3 TVG zu sein. Beginnend mit dem 24. Februar 2003 schloss die Beklagte mit den Arbeitgeberverbänden Interessengemeinschaft N. Z. e.V. und Mittelstandsvereinigung Z. e.V. eine Vielzahl von Tarifverträgen für den Wirtschaftszweig Arbeitnehmerüberlassung. Die beiden vorgenannten Arbeitgeberverbände wurden später auf den ursprünglichen Kläger, den Arbeitgeberverband Mittelständischer P. und Z., verschmolzen, welcher fortan weitere Tarifverträge mit der Beklagten abschloss. Infolge der Gesamtrechtsnachfolge des ursprünglichen Klägers blieben auch die älteren Tarifverträge von der Verschmelzung unberührt. Während des laufenden Rechtsstreites wurde die Verschmelzung des ursprünglichen Klägers auf den nunmehr klagenden Arbeitgeberverband am 08. Juli 2011 eingetragen, so dass dieser die Aktivrolle im vorliegenden Verfahren übernommen hat.
Am 14. Dezember 2010 verkündete das Bundesarbeitsgericht eine Entscheidung, der zufolge die Beklagte nicht tariffähig sei. Insbesondere auch wegen inhaltlicher Differenzen zwischen der diesbezüglichen Presseerklärung des Bundesarbeitsgerichtes und den schriftlich gefassten Entscheidungsgründen kam es fortan zu einer ausgebreiteten Debatte, ob diese rechtskräftige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes sich auf einen einzelnen Zeitpunkt – etwa den Schluss der Anhörung der Beteiligten – beziehe oder ob die Entscheidung aussage, dass die Beklagte auch zu keinem früheren Zeitpunkt – also auch zu keinem Zeitpunkt des Abschlusses der in Rede stehenden Tarifverträge (Bl. 291-501 d. A.) – tariffähig gewesen sei. Zu dieser Frage und den sich hieraus ergebenden Anschlussfragen sind mittlerweile zahlreiche, einander widersprechende Entscheidungen der erst- und zweitinstanzlichen Arbeitsgerichtsbarkeit ergangen.
Potentiell betroffen von den sich stellenden Rechtsfragen sind ca. 6.500 Zeit...