Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersbefristung. Diskriminierungsverbot. Vertrauensschutz
Leitsatz (amtlich)
1.
Die am 1.1.2001 in Kraft getretene Vorschrift des § 14 Abs. 3 S. 1 TzBfG, wonach die Befristung eines Arbeitsvertrages keines sachlichen Grundes bedarf, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat, verstößt ebenso wie die später in Kraft getretenen Vorschrift des § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG gegen das Verbot der Altersdiskriminierung sowie Artikel 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG und ist daher nicht anzuwenden.
2.
Das bereits dem Art. 13 Abs. 1 EGV zugrunde liegende Verbot von Diskriminierungen u.a. aus Gründen des Alters ist Ausprägung des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung und als solches Teil des europäischen Primärrechtes. Daher steht es als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht einer Anwendung hiergegen verstossenden nationalen Rechts entgegen. Eine „Drittwirkung” der Richtlinie 2000/78/EG ist hierfür nicht maßgeblich.
3.
Der Arbeitgeber, der bei Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages mit einem älteren Arbeitnehmer zu einem vor der Entscheidung des EuGH v. 22.11.2005 (C 144/04 „Mangold”) liegenden Zeitpunkt von der Wirksamkeit und Anwendbarkeit des § 14 Abs. 3 S. 1 TzBfG ausging, kann sich nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 3 S. 1; Richtlinie 2000/78/EG
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung mit Ablauf des 31.12.2005 nicht beendet worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 31.12.2005 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtstreites zu unveränderten Bedingungen als Bürofachkraft mit einer Vergütung in entsprechender Höhe wie in BAT -W Gruppe VI b weiterzubeschäftigen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Rechtsstreites haben die Beklagte 7/8 und die Klägerin 1/8 zu tragen.
III.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.815,36 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die am … 1945 geborene Klägerin wurde von der Beklagten auf Grundlage eines schriftlichen Anstellungsvertrages 5. 12. 2002 für die Zeit vom 16. 12. 2002 bis zum 15. 12. 2004 als Bürofachkraft eingestellt. In Ziff. 1 des Vertrages heißt es u. a.:
„…
Die Beschäftigung erfolgt aufgrund der Zuweisung des Arbeitsamtes im Rahmen der Maßnahme „Eingliederung älterer Arbeitsloser über 50 Jahre” (gem. § 218 SGB III). Die Einstellung erfolgt vorbehaltlich der Zustimmung des Arbeitsamtes und des Betriebsrates.”
(Bl. 8 f. d. A.)
Gemäß Schreiben der Beklagten vom 27. 10. 2004 verlängerten die Parteien das Arbeitsverhältnis bis zum 30. 6. 2005 (Bl. 10 d. A.). Gemäß Schreiben der Beklagten vom 15. 3. 2005 verlängerten die Parteien das Arbeitsverhältnis sodann zum 31. 12. 2005 (Bl. 11 d. A.).
Zuletzt bezog die Klägerin eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von durchschnittlich 2.379,97 EUR.
Mit der am 20. 1. 2006 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und der Beklagten am 27. 1. 2006 zugestellten Klage macht die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrages sowie die Weiterbeschäftigung als Bürofachkraft über den 31. 12. 2005 hinaus geltend. Sie ist der Auffassung, die zuletzt vereinbarte Befristung ihres Arbeitsvertrages sei bereits deswegen unwirksam, weil sie im Zusammenhang mit dem aufgrund eines Eingliederungszuschusses unwirksam befristeten und daher unbefristeten Arbeitsvertrages vom 5. 12. 2002 stehe. Im Übrigen könne die Befristung des Arbeitsvertrages nicht auf § 14 Abs. 3 TzBfG gestützt werden, weil diese Vorschrift wegen eines Verstoßes gegen die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG vom 27. 11. 2000 nicht angewendet werden dürfe.
Die Klägerin beantragt,
- festzustellen, das das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2005 nicht beendet worden ist.
- die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 31. Dezember 2005 hinaus unbefristet zu unveränderten Bedingungen als Bürofachkraft mit einer Vergütung in entsprechender Höhe wie in BAT-W Gruppe VI b weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die mögliche Europarechtswidrigkeit des § 14 Abs. 3 TzBfG habe nicht zur Folge, dass nach dem eindeutigen und nicht anders auszulegenden Wortlaut der Bestimmung zulässige privatrechtliche Befristungsabreden unwirksam seien.
Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist größtenteils begründet.
1.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird nicht aufgrund der gemäß Schreiben der Beklagten vom 15. 3. 2005 zuletzt vereinbarten Befristung mit dem 31. 12. 2005 beendet. Diese von der Klägerin mit der vorliegenden Klage gemäß §§ 17 TzBfG, 46 Abs. 2 ArbGG, 167 ZPO fristgerecht angegriffene Befristungsabrede ist nicht gemäß § 14 TzBfG zulässig und daher unwirksam. Damit gilt der Arbeitsvertrag der Parteien gemäß § 16 S. 1 TzBfG als auf unbestimmte Ze...