Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Mitarbeiter. Statusfeststellung. Rückabwicklung. Bereicherungsanspruch. Prozessvergleich. Ausgleichsklausel, allgemeine. Auslegung. konstitutives negatives Schuldanerkenntnis
Leitsatz (amtlich)
1. Eine allgemeine Ausgleichsklausel in einem gerichtlichen Beendigungsvergleich ist i.d.R. ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis i.S.d. § 397 II BGB. Sie ist grundsätzlich weit auszulegen. Von ihr erfasst werden i.d.R. alle Ansprüche, die nicht unmissverständlich in diesem Vergleich als weiter bestehend bezeichnet werden, soweit die Rechtsprechung keine Ausnahme macht (betriebliche Altersversorgung; Arbeitspapiere; Zeugnis). Dies gilt auch ohne weitere Zusätze wie „bekannt oder unbekannt” oder „gleich aus welchem Rechtsgrund” (einfache allgemeine Ausgleichsklausel).
2. Ein „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis” im Sinne einer einfachen allgemeinen Ausgleichsklausel in einem Beendigungsvergleich ist auch ein etwaiger bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers im Fall der nachträglichen Feststellung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses eines zunächst als „Freier Mitarbeiter” und später als Arbeitnehmer Beschäftigten – auch wenn der Arbeitgeber daran bei Vergleichabschluss nicht dachte, er aber damit rechnen konnte.
Normenkette
BGB §§ 119, 133, 157, 313, 397, 779, 812; ZPO §§ 794, 916
Tenor
I.
Die Anträge werden zurückgewiesen.
II.
Die Arrestklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 42.406,63 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Arrestklägerin begehrt den Erlass eines dinglichen Arrestes zur Sicherung der Zwangsvollstreckung für einen vermeintlichen Anspruch auf Rückzahlung i.H.v. 169.626,53 EUR auf Grund einer nachträglichen Feststellung des Arbeitnehmerstatus des Arrestbeklagten. Der Arrestbeklagte war 13 Jahre lang als Freier Mitarbeiter bei der Arrestklägerin beschäftigt. Die B.anstalt für A.(BfA) hat in einem noch nicht rechtskräftigen Widerspruchsbescheid eine Sozialversicherungspflicht für diese Zeit bejaht. Die Höhe des Anspruchs soll sich aus der Differenz der gezahlten Freien Mitarbeiter – Vergütung zu einer durchschnittlichen, anderen Arbeitnehmern gezahlten Vergütung ergeben.
Die Arrestklägerin ist ein Software-Dienstleistungsunternehmen. Der Arrestbeklagte war bei der Arrestklägerin in der Zeit vom 24.11.1986 bis 06.03.1999 als „Freier Mitarbeiter” und in der Zeit vom 08.03.1999 bis zum 31.05.2003 als Arbeitnehmer beschäftigt. Im Arbeitsvertrag wurde die Geltung der gesetzlichen Kündigungsfristen vereinbart. Das Monatseinkommen betrug 4.448,24 EUR brutto.
Die Arrestklägerin kündigte am 15.11.2002 das Arbeitsverhältnis mit dem Arrestbeklagten betriebsbedingt zum 31.05.2003. Der Arrestbeklagte erhob gegen diese Kündigung Kündigungsschutzklage. In der Klageschrift hieß es u.a.: „Der Kläger verrichtete als Freier Mitarbeiter dieselbe Tätigkeit in derselben Einbindung in die Organisation des Beklagten. Die Festanstellung wurde zum Zwecke der Legalisierung auf Grund der damals eingeführten Scheinselbständigkeit durchgeführt.”
Die beidseitig anwaltlich vertretenen Parteien schlossen am 28.02.2003, rechtskräftig geworden am 12.03.2003, einen gerichtlichen Vergleich, der bei einer Beendigung zum 31.05.2003 gegen Zahlung einer Abfindung i.H.v. 20.000,– EUR als einzigen weiteren, regelnden Absatz enthält:
„Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt und sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem beendeten Arbeitsverhältnis ausgeglichen, mit Ausnahme der Ansprüche eines qualifizierten Arbeitszeugnisses und der Arbeitspapiere sowie der laufenden Vergütung bis zum Beendigungszeitpunkt.”
Der Arrestbeklagte stellte am 18.09.2003 bei der BfA für seine Zeit als „Freier Mitarbeiter” bei der Beklagten den Antrag auf Feststellung eines abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Mit Bescheid vom 26.02.2004 und nicht rechtskräftigem Widerspruchsbescheid vom 12.07.2005 gab die BfA dem Antrag des Arrestbeklagten statt.
Die Arrestklägerin erhob beim Arbeitsgericht Berlin gegen den Arrestbeklagten Klage (7 Ca 31773/04) u.a. auf Zahlung von 169.626,53 EUR. Die Arrestklägerin ist der Ansicht, dass ihr dieser Betrag aus § 812 BGB zustehe, da sie im Fall des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses diesen Betrag in Höhe der Differenz der gezahlten Honorare zu den durchschnittlichen vergleichbaren Arbeitnehmervergütungen dem Arrestbeklagten zu viel gezahlt habe.
In der Güteverhandlung am 15.08.2005 widersprach der Prozessbevollmächtigte des Arrestbeklagten einem Abwarten auf das von der Arrestklägerin angekündigte Klageverfahren mit der Erklärung, dass der Beklagte „bald, in ein paar Monaten, ins Ausland gehen möchte”.
Mit der am 19.08.2005 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift vom 19.08.2005 begehrt die Arrestklägerin den Erlass eines dinglichen Arrestes.
Die Arrestklägerin behauptet, der Arrestbeklagte werde in wenigen Monaten dauerhaft nach Australien auswandern.
Der Arrestanspruch ergebe sich a...