Leitsatz (amtlich)

1) Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung (vgl. EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Rs. C-55/18 [CCOO]) ergibt sich aus einer unmittelbaren Anwendung von Art. 31 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta.

2) Die in Leitsatz 1) genannte Verpflichtung trifft den Arbeitgeber, ohne dass es hierzu einer Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber oder einer richtlinienkonformen Auslegung des § 16 Abs. 2 ArbZG bedürfte.

3) Bei der Verpflichtung des Arbeitgebers, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen, handelt es sich auch um eine vertragliche Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Verletzt der Arbeitgeber diese vertragliche Nebenpflicht, gilt der unter Vorlage von Eigenaufzeichnungen geleistete Vortrag des Arbeitnehmers, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat, regelmäßig gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

4) Die im Rahmen eines sogenannten „Bautagebuches” in Anwendung der Regelungen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) vom Arbeitgeber vorgenommenen Aufzeichnungen genügen den Anforderungen eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung regelmäßig nicht.

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 156,65 Euro brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.01.2019 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 56%, der Kläger zu 44% zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 281,78 Euro festgesetzt.

5. Die Berufung wird gesondert zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche und Aufwendungsersatz.

Der Kläger war beim Beklagten in der Zeit von der 38. bis zur 45 Kalenderwoche des Jahres 2018 auf Grund eines mündlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages als Bauhelfer zu einer Stundenvergütung in Höhe von 13,00 Euro brutto beschäftigt.

Streitig ist zwischen den Parteien der zeitliche Umfang der vom Kläger erbrachten Arbeitsleistungen.

Während eines Einsatzes des Klägers wurde vom Beklagten versucht, die Bohrmaschine des Klägers zu verwenden. Streitig zwischen den Parteien ist, ob diese dabei zu Schaden gekommen ist.

Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 10.11.2018 (vgl. Anlage zur Klageerwiderung vom 03.06.2016, Blatt 45 der Akte) das Arbeitsverhältnis zum 24.11.2018. Wegen des weiteren Inhalts des genannten Schreibens wird auf die vom Beklagten zur Gerichtsakte gereichte Kopie Bezug genommen.

Mit E-Mail vom 15.01.2019 (vgl. Anlage K3 zur Klage, Blatt 13 bis 14 der Akte) hat der Kläger die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche geltend gemacht.

Der Kläger behauptet, er habe im Zeitraum der 38. bis zur 45. Kalenderwoche auf den Baustellen des Beklagten „P” sowie „Q” 195,05 Stunden gearbeitet. Der Beklagte habe demgegenüber lediglich 183 Stunden angesetzt und vergütet. Hinsichtlich der vom Kläger vorgetragenen Arbeitszeiten wird auf die vom Kläger vorgenommene Übersicht (vgl. Seite 2 der Klage, Blatt 2 der Akte) sowie auf die vom Kläger in Kopie vorgelegten „Stundenrapporte” (vgl. Anlagenkonvolut K1, Blatt 4 bis 11 der Akte) Bezug genommen. Zu Gunsten des Klägers ergebe sich eine Restforderung in Höhe von 156,65 EUR.

Der Kläger behauptet ferner, dass im Rahmen eines vereinbarungsgemäß durchgeführten Einsatzes die Schlagbohrmaschine des Klägers derartig zu Schaden gekommen sei, dass sie nicht mehr brauchbar gewesen sei. Am 09.10.2019 habe sich der Kläger zum Kaufpreis von 125,13 EUR eine Ersatzbohrmaschine gekauft (vgl. Quittungsbeleg, Anlage K2 zur Klage, Blatt 12 der Akte).

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 281,78 EUR nebst Zinsen hieraus in der Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.01.2019 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er – der Beklagte – erhebe Einwendungen gegen das Vorbringen der Klagepartei.

Die Stundenerfassung geleisteter Stunden sei am 06.11.2018 gemeinsam mit dem Kläger, dem Beklagten als Firmenvertretung sowie Herrn X. Y. erfolgt. Die Stundenerfassung mit Hilfe des Bautagebuchs sei bei Arbeitsbeginn erfolgt und habe bei Arbeitsende stattgefunden. Fahrtzeiten von und nach Hause würden nicht bezahlt. Diese seien auch nicht Bestandteil der Stundenvergütung von 13,00 Euro / Stunde für einen ungelernten Bauhelfer, hier den Kläger, gewesen. Somit ergebe sich eine tatsächliche zu entlohnende Stundenanzahl von 183 Stunden (vgl. Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 03.06.2019, Stundenerfassung vom 06.11.2018, Blatt 40 bis 41 der Akte).

Wiederholt sei der Kläger mündlich sowie am 10.11.2018 schriftlich aufgefordert worden, seine Unterlagen bzw. Bescheinigungen zur Erwerbs-/Berufsunfähigkeit bei dem Beklagten einzureichen. Der Kläger habe angegeben, diese Papiere zu haben und deswegen einen 450,00 Euro Job zu suchen, da er ei...

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