rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Ersetzung eines in nichtiger Wahl gewählten untätigen Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht. Ordnungsgemäße Einladung zu einer Betriebsversammlung nach § 17 Abs. 3 BetrVG. Einladungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Die gerichtliche Ersetzung eines Wahlvorstands für die erstmalige Wahl eines Betriebsrats wegen Untätigkeit nach § 18 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist unzulässig, wenn dessen Wahl nichtig gewesen ist.

In diesem Fall kann eine die Ersetzung des untätigen Wahlvorstandes betreibende, im Betrieb vertretene Gewerkschaft nur nach § 17 Abs. 34 BetrVG vorgehen und muss zunächst zu einer neuen Betriebsversammlung gem. § 17 Abs. 3 BetrVG einladen.

2.) Eine ordnungsgemäße Einladung zu einer Betriebsversammlung nach § 17 Abs. 3 BetrVG muss den Zeitpunkt, den Ort, die Einladenden und insbesondere das Thema der Betriebsversammlung – beabsichtigte Wahl eines Wahlvorstands – angeben. Die Einladung muss entweder alle Arbeitnehmer des Betriebs tatsächlich erreichen oder so bekannt gemacht werden, dass diese die Möglichkeit haben, von ihr Kenntnis zu nehmen und an der Versammlung teilzunehmen.

3.) Hinsichtlich der Frage, welche Frist bei der Einladung im normalen Wahlverfahren einzuhalten ist, kommt es auf die betrieblichen Verhältnisse an. Eine Einladungsfrist von einer Woche ist ausreichend, wenn alle Arbeitnehmer des Betriebs in demselben Gebäude oder in benachbarten Gebäuden arbeiten. Hingegen ist eine Einladungsfrist von nur einem Arbeitstag unzureichend.

 

Normenkette

BetrVG § 17 Abs. 3, § 18 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

Unter Zurückweisung des Antrages im übrigen wird festgestellt, dass die in der Betriebsversammlung vom 12. Januar 2004 erfolgte Wahl des Wahlvorstandes nichtig ist.

 

Tatbestand

A.

Die antragstellende Gewerkschaft betreibt die gerichtliche Ersetzung des Wahlvorstands für die erstmalige Wahl eines Betriebsrats im Betrieb der beteiligten Arbeitgeberin [i.d.F.: der Arbeitgeber] sowie hilfsweise die Feststellung, dass die in der Betriebsversammlung vom 12. Januar 2004 erfolgte Wahl des Wahlvorstandes nichtig ist.

Der Arbeitgeber, der sich wirtschaftlich im Bereich Erstellung und Verkauf von Gewerbeimmobilien betätigt, beschäftigt bundesweit etwa 280 Arbeitnehmer, von denen ca. 180 in dem Betriebsgebäude in Essen arbeiten. Die übrigen Beschäftigten arbeiten bundesweit, verteilt auf verschiedene Projekte und auf verschiedene Baustellen; außerdem betreibt der Arbeitgeber eine Betriebsstätte in München.

Bei dem Arbeitgeber besteht bislang kein Betriebsrat. Die antragstellende Gewerkschaft, die im Betrieb vertreten ist, wandte sich mit Schreiben vom 09. Dezember 2003 an den Arbeitgeber und bat um ein Gespräch mit dem Ziel, in dessen Betrieb eine Betriebsratswahl einzuleiten. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 teilte der Arbeitgeber mit, dass ein solches Gespräch, bedingt durch die Urlaubsabwesenheit seines Vorstands, erst in der 4. Kalenderwoche des Jahres 2004 stattfinden könne.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2004 unterrichtete der Arbeitgeber die antragstellende Gewerkschaft dann allerdings darüber, dass es zwischenzeitlich innerbetrieblich zur Wahl eines Wahlvorstandes gekommen sei.

Tatsächlich hatten sich mit einer ”Aktennotiz” vom 05. Januar 2004 drei Arbeitnehmer wie folgt an die Beschäftigten der Betriebsstätte Essen gewandt:

”Einladung zur Betriebsversammlung

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Mitglieder des Orga-Team sind wir vom Vorstand darüber informiert worden, dass die Industriegewerkschaft C. beabsichtigt, eine Betriebsratswahl durchzuführen.

Die Unterzeichner machen von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch, zu einer Betriebsversammlung einzuladen, um dafür Sorge zu tragen, dass die Mitarbeiter die notwendigen Informationen erhalten.

Wir sind sicher, dass es im Interesse aller Mitarbeiter liegen dürfte, über die Abwicklung und die Vorgänge informiert zu werden.

Wir bitten deshalb zahlreich zu erscheinen.

Wann:

Montag 12. Januar 2004

Zeit:

15:00 Uhr

Ort:

M.-Haus

Wir erlauben uns abschließend die Anmerkung, dass nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes die Teilnahme an der Betriebsversammlung entgeltpflichtige Arbeitszeit ist.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. H.

gez. F.

gez. A.

Dieses Schreiben wurde am Schwarzen Brett im Eingangsbereich des Betriebes zwischen dem Zentralen Empfang und den Aufzügen im Hause des Arbeitgebers am Freitag, dem 09. Januar 2004 ausgehängt. Außerdem informierte die einladende Arbeitnehmergruppe die ca. 70 bis 80 Beschäftigten des Standorts Essen, die E-Mails empfangen können, per E-Mail vom 09. Januar 2004, 13:47 Uhr, in gleicher Weise über die bevorstehende Betriebsversammlung.

An der Betriebsversammlung am darauf folgenden Montag, den 12. Januar 2004 nahmen ca. 100 Personen teil, wobei allerdings die Anzahl der anwesenden stimmberechtigten Arbeitnehmer nicht festgestellt wurde. In dieser Versammlung, auf der auch der nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte des Arbeitgebers, Rechtsanwalt C., zugegen war und das Wahlverfahren zum BetrVG erläuterte, wu...

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