Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen. hier: Klage des Leiharbeitnehmers gegen den Entleiher auf Schadenersatz
Leitsatz (amtlich)
Für die Klage eines Leiharbeitnehmers gegen den Entleiher auf Schadensersatz (Schmerzensgeld) ist der Rechtsweg vor die Arbeitsgerichte eröffnet.
Tenor
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten über Schmerzensgeldansprüche wegen eines im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung erlittenen Arbeitsunfalls.
Der 47 Jahre alte Kläger war vom 24.08.2009 bis 30.11.2009 bei der Firma T. Personaldienstleistungen GmbH (= Verleiher) als Maler/Lackierer beschäftigt. Mit Wirkung vom 24.08.2009 war der Kläger im Betrieb des Beklagten (= Entleiher) zu Vornahme von Maler-/Lackierarbeiten an einem Gebäude im B-Weg 25 in H. eingesetzt. Bei diesem Arbeitseinsatz kam es zu einem Arbeitsunfall. Der Kläger erlitt erhebliche Verletzungen. Der Unfall wurde ordnungsgemäß der zuständigen Unfallversicherung gemeldet. Mit der Klage macht der Kläger Schmerzensgeldansprüche gegen den Beklagte wegen unzulänglicher Befestigung des Gerüstes geltend.
Die Parteien streiten vorab über die Rechtswegzuständigkeit. Der Kläger ist der Ansicht, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben sei, da die Beklagte durch Einräumung des Weisungsrechts eine Arbeitgeberfunktion inne gehabt habe. Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Zuständig seien die ordentlichen Gerichte (vgl. Sitzungsprotokoll vom 18.05.2010, Blatt 22 der Akte). Die Parteien erhielten mit Beschluss vom 18.05.2010 Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 25.06.2010 (vgl. Sitzungsprotokoll vom 18.05.2010, Blatt 23 der Akte).
Entscheidungsgründe
II.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3a) ArbGG eröffnet.
1. Aufgrund der Rüge des Beklagten ist vorab über die Rechtswegzuständigkeit zu entscheiden (§ 48 Abs. 1 ArbGG, § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG). Die Parteien erhielten zur Wahrung rechtlichen Gehörs ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Entscheidung erging ohne mündliche Verhandlung durch die Kammer (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG).
2. Die Rechtswegzuständigkeit für Klagen von Leiharbeitnehmern gegen den Entleiher ist in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten. Soweit ersichtlich hat das BAG hierzu noch nicht Stellung genommen. In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung wird die Eröffnung des Rechtswegs überwiegend bejaht (LAG Hamburg vom 24.10.2007, 4 Ta 11/07, juris; LAG Hamm vom 04.08.2003, 2 Ta 739/02, NZA-RR 2004, 106; so auch Schüren/Brors, AÜG, 4. Auflage, § 13 Rdn. 5 und GMP/Matthes/Schlewing, ArbGG, 7. Auflage, § 2 Rdn. 52). Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz enthält keine Zuständigkeitsnorm. So sieht z.B. § 13 AÜG zwar ausdrücklich einen Auskunftsanspruch des Leiharbeitnehmers gegen den Entleiher vor, die Rechtswegzuständigkeit zur Durchsetzung des Anspruches ist aber nicht geregelt.
a. Ausgangspunkt der Bewertung der Rechtswegzuständigkeit ist die rechtliche und vertragliche Ausgestaltung der Arbeitnehmerüberlassung als Dreipersonenverhältnis. Dabei sind u.a. die Rechtsverhältnisse zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher einerseits und Leiharbeitnehmer und Entleiher andererseits streng voneinander zu trennen. Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers ist stets der Verleiher. Das gilt auch während der Dauer der Überlassung an einen Dritten. Grundlage dieser Betrachtung ist § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Der Gesetzgeber erteilte mit dieser gesetzlichen Konzeption der früher z.T. vertretenen Theorie vom Doppelarbeitsverhältnis eine eindeutige Absage. Ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher wird lediglich gem. § 10 Abs. 1 AÜG im Falle einer unwirksamen Arbeitnehmerüberlassung (vgl. § 9 AÜG) fingiert. Mangels arbeitsvertraglicher Verbindung zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher könnte darauf geschlossen werden, dass der Rechtsweg vor die Arbeitsgerichte nicht eröffnet sei, zuständig wären dann die ordentlichen Gerichte (so Thüsing/Pelzner/Thüsing, AÜG, 2. Auflage, § 13 Rdn. 11 und Erfurter Kommentar/Koch, 10. Auflage, § 2 ArbGG Rdn. 18 a.E.). Dem ist nicht zuzustimmen. Bei genauerer Betrachtung des Rechtsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher sind zahlreiche Elemente eines Arbeitsverhältnisses erkennbar, die die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründen.
b. Die dogmatische Einordnung des Rechtsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher wird nicht einheitlich beantwortet (statt aller: Schüren/Brors, AÜG, 4. Auflage, Einleitung Rnd. 109 ff.). Die im Schrifttum vertreten Ansichten reichen u.a. von der Rechtsfigur eines gespaltenen Arbeitsverhältnisses mit der Aufspaltung der Arbeitgeberfunktion zwischen Entleiher und Verleiher, einem echten und unechten Vertrag zu Gunsten Dritter, der Abtretung des Anspruchs auf Erbringung der Arbeitsleistung bis zu einem Schuldverhältnis mit und ohne primäre Leistungspflichten. Die dogmatische Verortung des Rechtsverhältnisses kann zur Beantwortung der Frage der Rechtswegz...