Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei Betriebsänderung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Nichtbeachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Betriebsänderungen kann dieser einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Betriebsänderung im Wege einstweiliger Verfügung durchsetzen. Der Arbeitgeberin können insbesondere solche Maßnahmen untersagt werden, die bereits die Betriebsänderung ausmachen, wie zB der Abtransport von Maschinen, insbesondere ganzer Produktionslinien.
2. Bei der Prüfung, ob eine solche einstweilige Verfügung erlassen wird, dürfen die wirtschaftlichen Folgen für die Arbeitgeberin nicht außer Acht gelassen werden. Wenn sich die Arbeitgeberin in einer wirtschaftlichen Krise befindet, sind die wirtschaftlichen Folgen anders zu bewerten, als wenn die Betriebsänderung wegen Veränderungen aus weniger dringenden Gründen erfolgt.
Tenor
Unter Zurückweisung der Anträge der Beteiligten zu 2) wird die einstweilige Verfügung vom 01. Dezember 2004 bestätigt.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats hinsichtlich der dauerhaften Außerbetriebnahme und Entfernung einer Produktionslinie aus dem Betrieb der Beteiligten zu 2). Die Beteiligte zu 2) ist eine Tochtergesellschaft der P. AG mit Sitz in H. mit 363 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zum Zeitpunkt Oktober 2004. Am Standort H. der P. Gruppe sind über 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Der Beteiligte zu 1) ist der für den Standort H. der P. Gruppe gebildete Betriebsrat (Standortbetriebsrat).
Unter dem Datum des 22.Dezember 1999 schlossen die P. AG und der Beteiligte zu 1) eine „Betriebsvereinbarung zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und der Sicherung des Standortes H.” (Anlage ASt 3, Bl. 16 ff. d. A.).
Unter dem Datum des 02. Juli 2002 schlossen die P. AG und der Beteiligte zu 1) eine „Betriebsvereinbarung zum Strukturprojekt „Standort H.” (Anlage ASt 4, Bl. 23 ff. d. A.). Die Rechtswirkungen dieser Vereinbarung sind Gegenstand eines Beschlussverfahrens vor der Kammer 14 des Arbeitsgerichts Hamburg gewesen (Anlage Ag 6, Bl. 192 ff. d. A.). Mit Beschluss vom 17. Juni 2004 wies die Kammer 14 des Arbeitsgerichts Hamburg die Anträge des Beteiligten zu 1) zurück.
Das Verfahren ist derzeit in der Beschwerdeinstanz anhängig.
Unter dem Datum des 25. November 2003 schlossen die Beteiligten eine „Vereinbarung zum Personalabbau am Standort S. in deer P. GmbH” (Anlage Ag 5, Bl. 190 f. d. A.).
Im Betrieb der Beteiligten zu 2) befindet sich eine Extrusionslinie für Schläuche mit einem Durchmesser bis 100 mm, bestehend aus Extruder UG Colmex 120 incl. Kühlstrecke und Strickmaschine Lucas, dem Extruder OG Comec 120 mit Kühlstrecke mit Kälteerzeuger, Schneidemaschine, dazugehörende Vakuumerzeugung mit Versorgung Haftlösung, nebst der zur Extrusionslinie gehörenden Anlagensteuerung einschl. der Geräte zur maßlichen Überwachung und Dokumentation (Extrusionslinie 3). Bis zur Demontage der Extrusionslinie 3 waren sämtliche Linien – soweit sie nicht vorübergehend stillgelegt worden waren – im Einsatz.
Wenn eine der anderen Extrusionslinien stillgelegt wurde, wurden auch Schläuche mit weniger als 85 mm Durchmesser auf der Extrusionslinie 3 hergestellt.
Mit Memo vom 01. Oktober 2004 wandte sich der Geschäftsführer der Beteiligten zu 2), Herr M., an den Betriebsrat (Anlage ASt 13, Bl. 129 d. A.).
Unter dem Datum des 26. November 2004 unterrichtete der Vorstand der P. AG die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer schriftlichen Information zur Übernahme der P. AG durch die C. AG (Anlage ASt 2, Bl. 14 f. d. A.). Am gleichen Tage wurde der Beteiligte zu 1) unterrichtet über den vorläufigen Stand der Überlegungen zur Integration zwischen den operativen Gesellschaften (Anlage ASt 1, Bl. 11 f. d. A.). Daraus ergab sich für den Betrieb der Beteiligten zu 2), dass die Produktion der Schlauchkrümmer geschlossen werden soll, wovon 263 Arbeitsplätze betroffen wären.
Am 25./26. November 2004 wurde die Extrusionslinie 3 von der Beteiligten zu 2) demontiert und verpackt. Sie sollte am 02. Dezember 2004 aus dem Betrieb der Beteiligten zu 2) entfernt und zu einer s. Tochtergesellschaft der P. AG nach B. verbracht werden. Eine ausdrückliche Information des Beteiligten zu 1) über diesen Vorgang erfolgte nicht.
Auf einer gemeinsamen Sitzung der Wirtschaftsausschüsse der P. AG und der Co AG am 16. Dezember 2004 wurden die Arbeitnehmervertreter über die weitere Planung hinsichtlich der Integration zwischen den operativen Gesellschaften sowie der Holding unterrichtet (Anlage ASt 14, Bl. 130 ff. d. A.). Daraus ergab sich für den Betrieb der Beteiligten zu 2), dass von 363 Arbeitsplätzen am Standort der Beteiligten zu 2) nach Durchführung der Maßnahmen voraussichtlich 100 verbleiben würden.
Mit Beschluss der Kammer vom 01. Dezember 2004 wurde der Beteiligten zu 2) untersagt, die Extrusionslinie 3 mit den vorgenannten Bestandteilen dauerhaft außer Betrieb zu nehmen und aus dem Betrieb zu entferne...