Leitsatz (amtlich)

1. Eine Einrichtung im Sinne der Bereichsausnahme des § 118 Abs. 2 BetrVG setzt eine tatsächliche Prägung im Sinne der Religionsgemeinschaft voraus.

2. Eine von einer Kirche getragene gemeinnützige GmbH, die in der gleichen Weise wie andere Träger auch und unter ausschließlicher Verwendung öffentlicher Mittel Arbeitslosenprojekte betreibt, fällt nicht unter die Bereichsausnahme des § 118 Abs. 2 BetrVG.

 

Nachgehend

LAG Hamburg (Beschluss vom 15.02.2007; Aktenzeichen 7 TaBV 9/06)

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die Beteiligte zu 4) ist eine gemeinnützige GmbH (im Folgenden: „die Gesellschaft”), die ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verfolgt.

Für ihre Einrichtungen ist sie Mitglied im D. e. V.. Ihre Gesellschafter sind mehrere kirchliche Einrichtungen und Untergliederungen.

Sie betreibt mit Geldern der Bundesagentur für Arbeit mehrere Arbeitslosenprojekte. Sie befasst sich mit der beruflichen Qualifizierung von Erwerbslosen. Gegenwärtig arbeitet sie mit rund 600 Langzeitarbeitslosen.

Dies ist auch ihr festgelegter Zweck, der unter Ziffer 4 des Gesellschaftsvertrags wie folgt beschrieben ist:

„Zweck der Gesellschaft ist die berufliche Qualifizierung von Erwerbslosen und von Erwerbslosigkeit Bedrohter, um deren Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern und Zugänge zu Arbeit und Ausbildung zu ermöglichen.”

Am 08. April 2005 wählten die bei der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer einen Betriebsrat. Der Wahlvorstand gab am 14. April 2005 das Ergebnis bekannt.

Die Beteiligten zu 1), 2) und 3) sind Arbeitnehmer der Beteiligten zu 4). Sie vertreten ebenso wie ihre Arbeitgeberin die Auffassung, dass die Gesellschaft eine Einrichtung nach § 118 Abs. 2 BetrVG sei. Deswegen finde das Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) der Evangelischen Kirche Anwendung und deshalb hätten die Arbeitnehmer nicht einen Betriebsrat wählen dürfen. Mit ihrem Antrag vom 25. April 2005 machen sie daher geltend, dass die Betriebsratswahl vom 08. April 2005 für unwirksam zu erklären sei.

Insbesondere vertreten die Beteiligten zu 1) bis 4) die Auffassung, dass die Gesellschaft auch karitativ sei. Der Begriff der karitativen Einrichtung in § 118 Abs. 2 BetrVG sei nach dem Selbstverständnis der Kirche von dieser zu bestimmen. Dies folge aus dem den Kirchen durch Artikel 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung garantierten Selbstverwaltungsrecht. Dies umfasse auch die Befugnis der Kirche, selbst darüber zu entscheiden, durch welche Mittel und Einrichtungen sie ihren Auftrag in der Welt wahrnehmen will. Die Beurteilung, ob eine Betätigung karitativ ist, obliege daher allein der Kirche. Eine Vorgabe des Staates, welche kirchliche Betätigung karitativ sei, wäre ein unzulässiger Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht der Kirche.

Es sei daher irrelevant, dass sich die Arbeit der Gesellschaft äußerlich nicht von Arbeitslosenprojekten anderer Träger unterscheide. Maßgebend sei, dass nach dem Selbstverständnis der Evangelischen Kirche die Ausübung der Religion nicht nur die Bereiche des Glaubens und des Gottesdienstes umfasse, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und zur Wirksamkeit in der Welt, wie es der religiösen Aufgabe der Kirche entspreche.

Hierzu würden auch die praktischen Hilfsangebote der Gesellschaft für Langzeitarbeitslose zählen. Für ein solches Selbstverständnis der Evangelischen Kirche und des Diakonischen Werks spreche das Leitbild der Diakonie Anl. 6 B 4, Bl. 42 d.A.)). Danach begleitet und berät die Diakonie Menschen in allen Lebenslagen und danach geht es ihr „sowohl um den Menschen in seiner persönlichen Situation als auch in seinen sozialen Verhältnissen. Deshalb ist die Integration Ausgegrenzter, Armer und Schwacher in der Gesellschaft – insbesondere die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – Anliegen vielfältiger diakonischer Initiativen”.

Die Beteiligten zu 1) bis 4) machen geltend, dass sich die Gesellschaft dafür entschieden habe, ihre Einrichtungen nach christlichen Grundsätzen zu betreiben. Dies wird nicht näher ausgeführt.

Ebenso wird vorgetragen, dass die Gesellschaft intensive Unterstützung bei der Bewältigung von Problemen, die sich aus der persönlichen Biographie, Alter, Geschlecht, Nationalität, langfristiger Arbeitslosigkeit und/oder Behinderung ergeben. Auch dies wird trotz einer gezielten Auflage des Gerichts vom 23.1.2006 nicht näher ausgeführt.

Da sich die Gesellschaft im vorliegenden Fall leitbildorientiert an bedürftige Menschen richtet und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, sei ihre Arbeit karitativ. Zudem müsse beachtet werden, dass die Kirche schon immer und damit traditionell derartige Aufgaben wahrnimmt.

Das Nordelbische Kirchenamt bestätigte in einer Bescheinigung vom 17. März 2006, dass die Gesellschaft nach dem Selbstverständnis der Nordelbischen evangelischen lutherischen Kirche eine karitative Einrichtung ist.

Die Beteiligten zu 1) bi...

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