rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zeugnisansprüche werden von tariflichen Ausschlußfristen nicht erfaßt.

2. Eine vierwöchige tarifvertragliche Ausschlußfrist ist nichtig, weil sie zu kurz ist.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zeugnis, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen.

2 Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte

3. Der Streitwert betragt DM 3.600,–

 

Tatbestand

Die Parteien verband ein Arbeitsverhältnis Sie streiten um die Erteilung eines Zeugnisses.

Der 1970 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Dezember 1989 bis zum 31. Juli 1996 für die Beklagte als Fahrer zu einem Arbeitsentgelt in Höhe von 3.600,– DM brutto tätig.

Für das Arbeitsverhältnis gilt der „Rahmentarif Groß- und Außenhandel Hamburg und Umgebung vom 15. Mai 1991”. § 16 dieses RTV lautet:

„Verfallklausel (Verfall von Ansprüchen)

  1. Unrichtigkeiten in der Abrechnung sind unverzüglich geltend zu machen, spätestens jedoch innerhalb der zu Ziffer 3 vorgesehenen Frist. Unstimmigkeiten zwischen Abrechnungsbetrag und ausgezahlter Gehaltssumme bzw. Lohnsumme können mir sofort bei Auszahlung geltend gemacht werden.
  2. Ansprüche auf Bezahlung von Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie auf Zuschläge aller Art müssen spätestens 4 Wochen nach Ablauf des Gehalts-Lohnabrechnungszeitraumes, für den sie hätten abgerechnet werden müssen, schriftlich gellend gemacht werden.
  3. Alle anderen Ansprüche ans dem Arbeitsverhältnis müssen spätestens 3 Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
  4. Scheidet ein Arbeitnehmer ans dem Betrieb ans, so sind alle Ansprüche ans dem Arbeitsverhältnis einschließlich Urlaub, Urlaubsgeld und Sonderzahlung spätestens 4 Wochen nach dem Ausscheiden schriftlich geltend zu machen.
  5. Nach Ablauf der Fristen 2 bis 4 gelten die Ansprüche als verwirkt.
  6. Die Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel Hamburger Wirtschaftsraum sind dem Mitarbeiter auszuhändigen oder in geeigneter Weise zugänglich zu machen.”

Der Kläger rief Mitte November 1996 bei der Personalabteilung der Beklagten an und verlangte ein Zeugnis. Ihm wurde erklärt, daß er warten solle, da der Geschäftsführer der Beklagten in Urlaub sei. Nach zwei Wochen rief er erneut an. Er wurde mit dem Geschäftsführer verbunden. Der Geschäftsführer erklärte ihm, daß die Beklagte ihm kein Zeugnis ausstelle, weil er die Firma betrogen habe

Daraufhin wandte der Kläger sich mit Schreiben vom 28.12.1996 (Anlage Kl, Bl 4 d.A.) an die Beklagte und setzte ihr für die Erteilung des Zeugnisses eine Frist bis zum 15. Januar 1997.

Mit Schreiben vom 13. Januar 1997 (Anlage K2, Bl. 5 d.A.) erklärte die Beklagte unter Hinweis auf § 16 Ziffer 4 des Rahmentarifes, daß der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses verfallen sei.

Mit seiner am 14. Februar 1997 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter. Er vertritt die Auffassung, daß § 16 Ziffer 4 des Rahmentarifes einen Zeugnisanspruch nicht erfasse.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß der Zeugnisanspruch von § 16 des Rahmentarifes erfaßt sei. Sie weist darauf hin, daß der Kläger mit seinem Schreiben vom 28. Dezember 1996 im übrigen auch gar nicht ein qualifiziertes Zeugnis verlangt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist gem. § 630 BGB verpflichtet, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen. Der Kläger hat die tarifliche Ausschlußfrist gewahrt (Ziffer 3 der Entscheidungsgründe). Zeugnisansprüche sind vom Wortlaut der in Rede stehenden tariflichen Ausschlußfrist nicht erfaßt (Ziffer 4). Tarifliche Ausschlußfristen können sich aus rechtlichen Gründen nicht auf Zeugnisansprüche erstrecken (Ziffer 5). Die in Rede stehende tarifliche Ausschlußfrist ist nichtig, weil sie zu kurz (Ziffer 6) Der Anspruch des Klägers ist nicht verwirkt (Ziffer 7) Diese Entscheidung beruht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kurz zusammengefaßt auf folgenden Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz – ArbGG):

1. Gemäß § 630 BGB haben alle Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses. Der Anspruch erwächst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer ist berechtigt, ein Zeugnis zu verlangen, das sich auf die Leistungen und die Führung im Arbeitsverhältnis erstreckt.

a) Das Zeugnis dient dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers. Der Zweck des § 630 BGB besteht darin, dem Arbeitnehmer den Zugang zu einer neuen Beschäftigung zu ermöglichen, ihm die „freie Wahl” des Arbeitsplatzes zu erleichtern. Insoweit legt die Zeugnispflicht dem Arbeitgeber eine soziale Mitverantwortung auf, die über das beendete Dienstverhältnis hinausweist (vgl. Müko-Schwerdtner, BGB, 2. Aufl. 1988, § 630 Rdn. 1).

Das Arbeitszeugnis ist für das Fortkommen des Arbeitnehmers von entscheidender Bedeutung (BAG AP Nr. 9 zu § 630 BGB, BGHZ 74, 281, 289). Es bescheinigt dem Arbeitnehmer die bei dem Arbeitgeber ausgeübte...

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