Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung (Entfristungsklage)
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.09.2004 hinaus unbefristet fortbesteht.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, auch für diesen Teil des Streitgegenstandes.
3. Der Streitwert wird insoweit auf 4.083,78 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Streit der Parteien geht (noch) um die Wirksamkeit einer zuletzt mit Vertrag vom 15.09.2003 vorgenommenen Altersbefristung (bis 30.09.2004 – Blatt 22/24 d.A.).
Die Klägerin ist am … 1948 geboren und wurde aufgrund mehrfach befristeter Verträge bei der Beklagten beschäftigt (seit 01.10.2001 – siehe die Verträge Blatt 9/11, 13/15 und – der letzte befristete Vertrag – Blatt 22/24 d.A.). Die sachgrundlose Befristung beruht auf § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG. Die Klägerin hält diese nationale Vorschrift für nicht europarechtskonform (Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz).
Die Klägerin beantragt (klageändernd – siehe Protokoll vom 18.05.06),
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien unbefristet über den 30.09.2004 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 22.11.05 – C – 144/04 // Mangold ./. Helm – DB 05, 2638) und ihr folgend die Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 26.04.06 – 7 AZR 500/04 – Presseinformation in DB, Heft 18 vom 05.05.2006, Seite XXIV) zur Kenntnis, sieht jedoch darin einen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Rückwirkungsverbot (als Teil des Rechtsstaatsprinzips – Artikel 20 III GG) und eine Missachtung des daraus abzuleitenden Vertrauensschutzes.
Wegen des Vorbringens der Parteien wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und die Anlagen, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Auch wird Bezug genommen auf die Erklärungen der Parteien in der Güteverhandlung und in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die altersbedingte Befristung im letzten Vertrag vom 15.09.2003 erweist sich als unwirksam, da sie gegen das Gleichbehandlungsgebot verstößt. Deshalb war als Rechtsfolge der unbefristete Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über die vereinbarte Frist am 30.09.2004 hinaus festzustellen.
1.
Die Klägerin ist am … 1948 geboren und war bei Abschluss des letzten befristeten Vertrages (maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt) 54 Jahre alt (Vereinbarung des für die Zeit vom 01.10.2003 bis 30.09.2004 befristeten Vertrages am 15.09.2003). Durch Artikel 7 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I 2002, S. 4607) war § 14 Abs. 3 TzBfG mit Wirkung ab 01.01.2003 für die Zeit bis zum 31.12.2006 geändert worden, und zwar in der Weise, dass an die Stelle des 58. Lebensjahres das 52. Lebensjahr trat. Danach konnte aufgrund dieser nationalen Vorschrift des § 14 Abs. 3 TzBfG ohne Sachgrund die Klägerin befristet eingestellt werden, weil sie im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages das 52. Lebensjahr bereits vollendet hatte.
2.
Der EuGH hat mit Urteil vom 22.11.05 (Mangold ./. Helm – Presseinformation in DB 05, 2638) die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages aus Altersgründen nach der nationalen Vorschrift des § 14 Abs. 3 TzBfG für europarechtswidrig und daher für unanwendbar erklärt. Er beruft sich dabei nicht auf die RL 2000/78/EG vom 27.11.2000, die (auch) den Schutz vor Altersdiskriminierung bezweckt (abgedruckt in EAS A 3650), sondern auf den Gleichbehandlungsgrundsatz als einen allgemeinen, unmittelbar geltenden Grundsatz des Gemeinschaftsrechts und des Völkerrechts (a.a.O., Seite 2640 rechte Spalte, Ziffern 74.–77.).
Die Richtlinie ist zwar bislang nicht in nationales Recht umgesetzt worden (verlängerte Umsetzungsfrist bis 02.12.2006 – Artikel 18 der Richtlinie). Nach Auffassung des EuGH handelt es sich jedoch bei dem aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz abzuleitenden Altersdiskriminierungsverbot um einen völkerrechtlich verbindlichen und dem Europäischen Gemeinschaftsrecht immanenten (weil inkorporierten) Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts, der unmittelbar Anwendung findet.
Zu den Rechtsquellen der Europäischen Gemeinschaft (EG) gehören auch die Allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts, die der EuGH im Wege wertender Rechtsvergleichung gewinnt. Teil dieser Rechtsgrundsätze sind insbesondere die Grundrechte und – hier – der Gleichbehandlungsgrundsatz, der sich aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot als Menschenrecht ableitet. Gegenstand der wertenden Rechtsvergleichung sind die Verfassungen und Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die als Rechtserkenntnisquelle herangezogen werden. Die Kompetenz des EuGH zur Herleitung solcher allgemeinen Rechtsgrundsätze gründet sich auf Artikel 220 EGV, wonach der Gerichtshof die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrags sichert (siehe allgemein dazu Haedrich, EAS B 1000, Rdnr. 55; Körner, NZA 05, 1395, 1396; Waltermann, ebenda ...