Tenor

I. Der Vollstreckungsbescheid vom 22. Januar 2002 wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, ausgenommen die von der Beklagten zu tragenden Kosten des Vollstreckungsbescheids.

IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 36.640,63 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erstattung von Insolvenzausfallgeld.

Die Beklagte ist Teil-Rechtsnachfolgerin der Fa. … (im Folgenden: PRR), hinsichtlich deren Betriebes in S. Über das Vermögen der PRR war mit Beschluss des Amtsgerichts E am 28. Sept. 1999 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Anlässlich dessen hatte die Klägerin den bei der PRR beschäftigten Arbeitnehmern Insolvenzgeld bezahlt. Für die im Betrieb S beschäftigten Arbeitnehmer entrichtete sie insgesamt 71.662,84 DM.

Die Beklagte hatte den Betrieb der PRR in S mit Vereinbarung vom 13. Aug. 1999, unter Mitwirkung des bereits bestellten vorläufigen Insolvenzverwalters übernommen. Die Übernahme diente dem Erhalt der Lebensgrundlage des S Betriebes und sollte unter Übernahme aller Arbeitnehmer, einschließlich der Außendienstmitarbeiter erfolgen. Mit den Arbeitnehmern waren Aufhebungsverträge geschlossen worden; die Beklagte bot ihnen dann neue Arbeitsverträge an. Wegen der Regelungen in der Vereinbarung im Einzelnen, wird auf Bl. 54 ff d. A. Bezug genommen. Die Beklagte führte den Betrieb in S unverändert weiter.

Mit Mahnbescheid vom 11. Dez. 2001, der Beklagten am 13. Dez. 2001 zugestellt, verlangt die Klägerin Erstattung des Insolvenzgeldes für die S Arbeitnehmer der PRR von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin.

Auf Antrag der Klägerin hat das Arbeitsgericht Regensburg am 22. Jan. 2002 einen Vollstreckungsbescheid erlassen. Die Beklagte hat gegen diesen, ihr am 23. Jan. 2002 zugestellten Bescheid mit Schriftsatz vom 29. Jan. 2002, der am selben Tag beim Arbeitsgericht Regensburg eingegangen war, Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Vollstreckungsbescheid vom 22. Jan. 2002 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte beantragt

den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass sie als Rechtsnachfolgerin nicht auf die Erstattung des Insolvenzgeldes hafte. Die Aufhebungsverträge stellten sich nicht als Umgehungstatbestand hinsichtlich § 613a BGB dar. Die Klägerin solle durch die gesetzliche Regelung keinen Vorsprung vor anderen Gläubigern erhalten, wenn – wie hier – keine Vermögensverschiebung erfolgt war. Für die Klägerin gelte vielmehr ebenso der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung in der Insolvenz.

Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.

Wegen des Sachvortrages der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der statthafte Einspruch vom 29. Jan. 2002 gegen den Vollstreckungsbescheid vom 22. Jan. 2002 führt in der Sache zum Erfolg. Der Vollstreckungsbescheid ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

I. Der Einspruch ist statthaft.

Der Einspruch ist rechtzeitig (§§ 46a ArbGG, 699 ff. ZPO) und in rechter Form eingelegt worden.

II. Die Klage ist zulässig.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben (§ 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG). Der geltend gemachte Erstattungsanspruch betrifft übergegangene Arbeitsentgeltansprüche (§ 187 SGB III), die auch nach ihrem Übergang auf die Klägerin ihre Rechtsnatur nicht geändert haben. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 21 ZPO.

III. In der Sache hat die Klage keinen Erfolg.

Die Klägerin kann von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin des S Betriebes der PRR keine Erstattung der übergegangenen Arbeitsentgeltansprüche auf Grund der Insolvenzgeldzahlung durch die Klägerin (§§ 183 Abs. 1 Nr. 1, 187 SGB III) verlangen. Denn im vorliegenden Fall besteht trotz eines Betriebsüberganges nach § 613a Abs. 1 BGB nach dem Rechtsgedanken der Regelung kein Erstattungsanspruch gegen die Rechtsnachfolgerin. Die Klägerin nimmt mit ihren Forderungen allein am Insolvenzverfahren mit der dort erzielten oder erzielbaren Quote teil.

1. Die Beklagte hat den S Betrieb der PRR durch Rechtsgeschäft übernommen. Ein Betriebsübergang ist gegeben, wenn der Erwerber vom Veräußerer die materiellen und immateriellen Produktionsmittel übernimmt, um damit den Betriebszweck weiter zu verfolgen (BAG v. 18.8.1976, AP Nr. 4 zu § 613 a BGB sub 1 a der Gründe; BAG v. 3.7.1986, 28.4.1987, 12.11.1998, EzA § 613 a BGB Nr. 53, 67, 170; zum Begriff im Einzelnen Kasseler Handbuch/Hattesen, 2. Aufl., 6.7. Rz. 15 ff). Der nunmehr nach übereinstimmender Rechtsprechung von Europäischem Gerichtshof und Bundesarbeitsgericht mit dem Begriff der wirtschaftlichen Einheit gleichzusetzenden Betriebsbegriff nach § 613a BGB (BAG v. 22.5.1997, 11.9.1997, 11.12.1997, EzA § 613a BGB Nr. 149, 153, 159; EuGH v. 10.12.1998, EzA § 613a BGB Nr. 172 m. Anm. Ziemann), bedingt einen Betriebsübergang erst dann, wenn der Betrieb auf den neuen Inhaber als wirtschaftliche (Teil-)Einheit übertragen wird, was anzunehmen ist, wenn von einer ...

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