nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung von Gratifikationen

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der Arbeitnehmer zur Rückzahlung einer Gratifikation verpflichtet, darf der Arbeitgeber den letzten Verdienst (Lohn/Gehalt) nur um die nach §§ 850 ff ZPO pfändbaren Beträge kürzen. Der unpfändbare Verdienst unterliegt nicht der Aufrechnung (§ 394 BGB), sondern ist an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Dadurch sollen ihm und seiner Familie die lebensnotwendigen Einkünfte gesichert werden.

Klagt der Arbeitnehmer die unpfändbaren Bezüge ein, kann der Arbeitgeber seinen Rückzahlungsanspruch nur dann mit einer Widerklage verfolgen, wenn er beantragt „zahlbar nach Erhalt der Klageforderung” (§ 259 ZPO). Andernfalls ist die Klage auf künftige Leistungen unzulässig.

 

Normenkette

ZPO § 850 ff.; BGB § 394 ff.

 

Tenor

I. Das Versäumnisurteil vom 2.7.1992 wird mit der Maßgabe aufrecht erhalten, daß die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 2.115,90 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 21.5.1992 zu zahlen.

Im übrigen wird es aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 3/10 und der Beklagten zu 7/10 auferlegt. Die Beklagte hat jedoch die Kosten zu tragen, die durch ihre Säumnis im Termin vom 2.7.1992 entstanden sind.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.242,97 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger, der verheiratet ist und zwei Kinder zu versorgen hat, war bei der Beklagten als Monteur tätig. Im November 1991 erhielt er von der Beklagten eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 3.242,97 DM brutto. Dabei unterzeichnete er eine Erklärung, die u. a. folgenden Wortlaut hat:

Im Falle der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer oder der Kündigung durch den Arbeitgeber aus Gründen, die zu einer fristlosen Entlassung berechtigen, sowie im Falle eines vom Arbeitnehmer begangenen Arbeitsvertragsbruches ist die Gratifikation an den Arbeitgeber zurückzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer aus den v.g. Gründen bis zum 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung übersteigt, bis zum 30. Juni des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres ausscheidet.

Am 16.03.1992 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis zum 31.03.1992, worauf ihm die Beklagte von der Märzabrechnung die Weihnachtsgratifikation in voller Höhe einbehielt; die Auszahlung betrug nur noch 891,24 DM netto. Damit war der Kläger nicht einverstanden und erhob die vorliegende, am 21.05.1992 zugestellte Klage mit dem Antrag,

die Beklagte zur Zahlung von 3.242,97 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Im Gütetermin vom 2.07.1992 war die Beklagte nicht vertreten, so daß auf Antrag des Klägers ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil erging. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte – vor seiner Zustellung – Einspruch ein.

Der Kläger beantragt,

das Versäumnisurteil vom 2.07.1992 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 2.07.1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erklärt die Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung der Weihnachtsgratifikation und beantragt, im Wege der Widerklage

den Kläger zur Zahlung von 2.720,97 DM brutto nebst 4% Zinsen seit Zustellung (19.8.1992) zu verurteilen.

Für den Fall, daß ihrer Widerklage nicht stattgegeben wird, erhebt die Beklagte Eventualwiderklage mit dem Antrag,

den Kläger zur Zahlung von 3.242,97 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Zustellung (19.08.1992) zu verurteilen.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 2.07.1992 ist zulässig (§ 59 ArbGG). Er konnte jedoch nur in geringem Umfang Erfolg haben.

Die Beklagte hat den Märzlohn des Klägers gekürzt, ohne dabei die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff ZPO zu beachten: insoweit war sie auch nicht berechtigt, gegen den Lohnanspruch aufzurechnen (§ 394 BGB). Diese Schutzvorschriften sind zu Gunsten des Arbeitnehmers erlassen, um ihm den für sich und seine Familie lebensnotwendigen Verdienst zu sichern. In ihrem Schriftsatz vom 17.08.1992 not die Beklagte selbst den Nettoverdienst des Klägers mit 3.529,14 DM berechnet, so daß davon lediglich 522,– DM pfändbar waren. Die Beklagte hat dem Kläger 891,24 DM netto für März ausgezahlt, unpfändbar waren ober 3.529,14 DM ./. 522,– DM = 3.007,14 DM, so daß die Beklagte noch 2.115,90 DM netto an den Kläger auszahlen muß. In Höhe der pfändbaren Beträge war die Beklagte zur Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung der Gratifikation berechtigt; denn sie hat sich die Rückforderung für den Fall vorbehalten, daß der Kläger bis zum 31.03. aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, da der Kläger das Arbeitsverhältnis selbst zum 31.02.1992 gekündigt hat (Blomeyer-Buchner, Rückzahlungsklauseln im Arbeitsrecht, S. 100, 101). Die Rückforderung ...

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