Rz. 74
Die Fortsetzung der Tätigkeit muss mit Wissen des Arbeitgebers erfolgen. Zuzurechnen ist dem Arbeitgeber das Wissen der zum Abschluss von Verträgen berechtigten Vertreter. Das Wissen eines Kollegen oder eines Fachvorgesetzten ohne entsprechende personalrechtliche Befugnisse genügt daher nicht. So hat das BAG die Kenntnis des Schulleiters dem Arbeitgeber genauso wenig zugerechnet wie im Hochschulbereich die Kenntnis eines Institutsleiters, da die zum Abschluss von Arbeitsverträgen befugte Stelle die Schulverwaltung bzw. die Universitätsverwaltung war. Die Kenntnis von Mitarbeitern in der Personalabteilung oder sonstigen Abteilungen ist daher nur dann zuzurechnen, wenn diesen die eigenverantwortliche Bearbeitung von arbeitsvertraglichen Angelegenheiten übertragen ist. Ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber auch die Kenntnis von Personen zurechnen lassen, die eine ähnlich selbstständige Stellung wie ein personalberechtigter Vertreter innehaben, sofern die Verzögerung der Kenntnis einer zum Abschluss von Verträgen berechtigten Person auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht.
Da es sich bei den §§ 625 BGB, 15 Abs. 6 TzBfG um die Fiktion des schlüssigen Verhaltens handelt, kommen die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht für die Zurechnung der Kenntnis zur Anwendung. Bei Leiharbeitsverhältnissen kommt es auf die Kenntnis des Verleihers als Vertragsarbeiter an. Der Entleiher ist nicht Arbeitgeber i. S. v. § 15 Abs. 6 TzBfG.
Rz. 75
Ob der Arbeitgeber Kenntnis von dem Ende des Arbeitsverhältnisses haben muss, ist streitig. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass die Kenntnis von der Tätigkeit genüge. Es komme nicht darauf an, ob der Arbeitgeber Kenntnis davon habe, dass die vereinbarte Vertragszeit abgelaufen ist. Bei einer Fortsetzung der Tätigkeit in Kenntnis des Vertragsendes werde in der Regel von einer konkludenten vertraglichen Verlängerung auszugehen sein, sodass § 15 Abs. 6 TzBfG ohne praktischen Anwendungsbereich wäre. Dieser Auffassung ist zu folgen, da die Anspruchsvoraussetzung "Fortsetzung mit Wissen des Arbeitgebers" sich nur auf die Tätigkeit als solche bezieht.
Rz. 76
Dies gilt auch bei einem Arbeitsverhältnis mit Zweckbefristung oder auflösender Bedingung (§ 21 TzBfG). Nach einer älteren nicht veröffentlichten Entscheidung des BAG beginnt die Frist erst mit der Kenntnis des Arbeitgebers der Umstände, die für die Entscheidung über das Fortbestehen maßgeblich sind. Dazu gehöre auch die Kenntnis der Fortsetzung der Tätigkeit über die Vertragszeit hinaus. An dieser in der Vorauflagen gleichfalls vertretenen Auffassung wird nicht festgehalten. In einer Entscheidung zu § 24 BBiG hat das BAG ausführlich dargelegt, warum angesichts der Besonderheiten im Ausbildungsverhältnis der Ausbildende die Kenntnis von den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 24 BBiG haben muss, d. h. neben der Kenntnis von der Weiterbeschäftigung auch Kenntnis von dem vorzeitigen Ende des Berufsausbildungsverhältnisses nach § 21 Abs. 2 BBiG mit Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses.
Diese Ausführungen waren nur notwendig, weil das BAG bei § 15 TzBfG und § 625 BGB davon ausgeht, dass es auf die Kenntnis des Vertragsendes oder die Zweckerreichung nicht ankommt. Entscheidend ist bei diesen Vorschriften allein, ob das Arbeitsverhältnis mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird.
In Fällen, in denen der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Zweckerreichung oder Eintritt einer auflösenden Bedingung haben kann, werden dessen schutzwürdige Belange bei der Bemessung der Widerspruchsfrist berücksichtigt.
Rz. 77
Ob der Arbeitgeber irrtümlich davon ausgeht, dass das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet ist, ist unbeachtlich. Da aufgrund der unwiderleglichen gesetzlichen Vermutung ein Geschäftswille ohne Rücksicht darauf, ob er tatsächlich vorgelegen hat, unterstellt wird, ist eine Anfechtung nach § 119 BGB ausgeschlossen. Eine Ausnahme ist zu machen, wenn sich beide Parteien über den Beendigungszeitpunkt geirrt haben und deswegen das Vertragsverhältnis fortsetzen.