3.1 Hintergrund
Rz. 70
§ 13 Abs. 2 BUrlG erlaubt in bestimmten Wirtschaftszweigen über § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG hinaus Abweichungen von den Bestimmungen des BUrlG durch Tarifvertrag. Dies hat zur Folge, dass hier nicht nur von den Bestimmungen der § 3 Abs. 2 bis § 12 BUrlG abgewichen werden darf. Denn ein Abweichen hiervon ist den Tarifvertragsparteien bereits in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG gestattet. Vielmehr kann auch von den Grundnormen der §§ 1–3 Abs. 1 BUrlG abgewichen werden. Voraussetzung ist allerdings immer, dass dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs aller Arbeitnehmer erforderlich ist. Dies ist in allen Wirtschaftsbereichen bzw. Gewerben nötig, in denen aufgrund häufigen Wechsels des Arbeitsverhältnisses auch innerhalb eines Kalenderjahres die Wartezeit des § 4 BUrlG nicht zurückgelegt wird und somit ein Anspruch auf den gesetzlichen Vollurlaub nicht entsteht. Ausdrücklich nennt § 13 Abs. 2 BUrlG dabei das Baugewerbe. Dazu gehören aber auch die dem Baugewerbe verwandten Wirtschaftszweige (z. B. das Maler- und Lackiererhandwerk, das Dachdeckerhandwerk und das Gerüstbauerhandwerk) sowie sonstige Wirtschaftszweige, z. B. die in der Wanderschaft ausgeübten Gewerbe (Musiker-, Zirkus-, Kabarett-, Varietégewerbe) oder die Land- und Forstwirtschaft.
Neben der RL 2003/88/EG war seit Inkrafttreten der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) zum 1.12.2009, fraglich, ob Art. 31 Abs. 2 der GRC einer nationalen Öffnungsklausel wie § 13 Abs. 2 BUrlG entgegensteht, sofern dadurch der unionsrechtliche Mindesturlaub berührt wird. Von Bedeutung ist diese Frage deshalb, weil es sich bei der GRC um europäisches Primärrecht handelt. Anders als die RL 2003/88/EG bedarf Primärrecht keiner Umsetzung in nationales Recht, um Verpflichtungen unter Privaten zu begründen. Der EuGH hat nun angenommen, dass sich Arbeitnehmer gegenüber ihren – auch privaten – Arbeitgebern direkt auf Art. 31 Abs. 2 GRC berufen können. Soweit nationales Recht Art. 31 Abs. 2 GRC entgegensteht, ist dieses unangewendet zu lassen, sofern es nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann (s. auch Rz. 2). § 13 Abs. 2 BUrlG muss sich deshalb auch an Art. 31 Abs. 2 GRC messen lassen.
3.2 Bauwirtschaft
Rz. 71
Die Tarifvertragsparteien in der Bauwirtschaft haben von § 13 Abs. 2 BUrlG Gebrauch gemacht und im Bereich der gewerblichen Arbeitnehmer eine umfassende Regelung des Urlaubs vorgenommen. Sie haben dabei durch die Errichtung der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) – in Bayern die Gemeinnützige Urlaubskasse des Bayerischen Baugewerbes e. V. (UKB), in Berlin die Sozialkasse des Berliner Baugewerbes (SoKa Berlin) – sowie der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK) jeweils sog. "gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien" gem. § 4 Abs. 2 TVG gebildet. Neben der Regelung der materiellen Urlaubsbedingungen im Bundesrahmentarifvertrag Bau (BRTV Bau) vom 28.9.2018 sind im Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 28.9.2018 Vorschriften enthalten, die insbesondere das Meldeverfahren des Arbeitgebers gegenüber der ULAK betreffen.
3.2.1 Entstehen und Dauer des Urlaubsanspruchs
Rz. 72
Der Urlaub beträgt gem. § 8 Nr. 1.1 BRTV Bau 30 Arbeitstage im Kalenderjahr als Urlaubsjahr, wobei gem. § 8 Nr. 1.3 BRTV Bau Samstage nicht als Arbeitstage gelten. Für schwerbehinderte Menschen erhöht sich der Urlaubsanspruch um 5 Arbeitstage (§ 8 Nr. 1.2 BRTV Bau). Es handelt sich um eine inhaltsgleiche Regelung zu § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, sodass durch die tarifliche Regelung kein darüber hinausgehender Anspruch begründet wird. Für je 12 Beschäftigungstage – 10,3 bei schwerbehinderten Menschen – entsteht gem. § 8 Nr. 2.2 BRTV Bau ein Anspruch auf 1 Tag Urlaub. § 8 Nr. 2.3 BRTV Bau regelt, welche Zeiten nicht als Beschäftigungstage gelten. Für den so ratierlich entstehenden Urlaubsanspruch gibt es keine Wartezeit. Allerdings wird der volle Urlaubsanspruch erst nach 12 Beschäftigungsmonaten erworben. Wechselt der Arbeitnehmer in einen anderen Betrieb der Bauwirtschaft, nimmt er seine Urlaubsansprüche mit. Der Urlaubsanspruch entsteht auch in den Folgejahren immer nur im Umfang der zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Bestehen am Ende des Urlaubsjahres noch Resturlaubsansprüche, werden diese zunächst auf volle Tage auf- bzw. abgerundet und in das nächste Kalenderjahr übertragen (§ 8 Nr. 2.7 BRTV Bau).
3.2.2 Urlaubsentgelt
Rz. 73
Das Urlaubsentgelt beträgt gem. § 8 Nr. 4.1 BRTV Bau 14,25 % –...