4.2.1 Kein generelles Rückforderungsverbot
Rz. 44
Das Rückzahlungsverbot nach § 5 Abs. 3 BUrlG ist nach dem klaren Wortlaut beschränkt auf die Fälle des gekürzten Vollurlaubsanspruchs nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG. Für sonstige Fälle, in denen zu viel Urlaub gewährt oder zu viel Urlaubsentgelt bezahlt wurde, gilt das Rückzahlungsverbot nach § 5 Abs. 3 BUrlG nicht. Eine "Rücknahme" des genommenen Urlaubs scheidet aus. Unter bestimmten Voraussetzungen kann jedoch ein Anspruch auf Rückzahlung des zu viel bezahlten Urlaubsentgelts in Betracht kommen.
Dabei bedürfen verschiedene Fallgestaltungen einer Lösung:
- Der Arbeitnehmer erhält Urlaub vor Ablauf der Wartezeit, der über den ihm zustehenden Teilurlaub hinausgeht.
- Es wird Urlaub im Vorgriff auf das nächste Kalenderjahr gewährt.
- Es wird irrtümlich ein zu hohes Arbeitsentgelt bezahlt oder zu viel Urlaub gewährt.
4.2.2 Rückforderungsansprüche nach den §§ 812 ff. BGB
Rz. 45
Hat der Arbeitnehmer mehr als den zustehenden Urlaub erhalten, kann eine Rückforderung des Urlaubsentgelts bei Fehlen einer Vereinbarung oder tarifvertraglichen Regelung über Bereicherungsrecht nach § 812 BGB erfolgen. Solange die Rechtsprechung den Anspruch auf Urlaub und Urlaubsentgelt als Einheitsanspruch verstand, wurde ein Rückforderungsanspruch überwiegend mit der Begründung verneint, der Urlaub als bezahlte Freizeit könne nicht nachträglich in unbezahlte Freizeit verwandelt werden.
Rz. 46
Das BAG bejaht inzwischen grundsätzlich die Möglichkeit der Rückforderung des zu viel gezahlten Urlaubsentgelts nach § 812 BGB. Dass der EuGH in den Entscheidungen vom 20.1.2009 das Urlaubsentgelt als Bestandteil des Urlaubsanspruchs ansieht, muss zu keiner Änderung dieser Rechtsprechung führen, da auch die Freistellungserklärung kondiziert werden kann. Diese Möglichkeit zur Rückforderung ist jedoch durch §§ 814 und 818 Abs. 3 BGB begrenzt. Gewährt ein Arbeitgeber bewusst und vorbehaltlos Urlaub, obwohl eine Verpflichtung zur Urlaubsgewährung nicht bestand, kann der Arbeitgeber das bezahlte Urlaubsentgelt nach § 814 BGB nicht zurückfordern, wenn er gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Weitergehend wird in diesen Fällen auch die Auffassung vertreten, dass die vorbehaltlose Gewährung von Urlaub ohne Urlaubsanspruch im Zweifel nach § 133 BGB so auszulegen sei, dass es mit der Bewilligung sein Bewenden hat und ein Anspruch auf Rückzahlung von Urlaubsentgelt stillschweigend ausgeschlossen ist.
Rz. 47
Ein Rückforderungsanspruch kann daher nur dann geltend gemacht werden, wenn die Urlaubsgewährung irrtümlich erfolgt ist, sofern die Freistellungserklärung wirksam angefochten wurde oder sich als Folge einer nachträglichen Kürzung des Urlaubsanspruchs herausstellt, dass zu viel Urlaub gewährt wurde. Dies sind nicht nur die Fälle, in denen nachträglich der Teilurlaubsanspruch gekürzt wird (s. hierzu oben Rz. 24), weil das Arbeitsverhältnis vorzeitig endet. Häufiger sind die Fälle, in denen eine zulässige Zwölftelung beim Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte vereinbart wurde (zur Zulässigkeit s. oben Rz. 30 ff).
Einzelvertraglich vereinbart ist ein Jahresurlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen bei Zwölftelung während des gesamten Jahres, soweit der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht betroffen ist.
Der Arbeitnehmer hat bis zum 31.8. bereits 27 Urlaubstage nebst Urlaubsentgelt erhalten.
Das Arbeitsverhältnis wird zum 31.10. beendet.
Als Folge der vereinbarten Zwölftelung besteht ein Urlaubsanspruch von 25 Tagen. Für 2 gewährte Urlaubstage besteht ein Rückzahlungsanspruch nach § 812 BGB.
Rz. 48
Unabhängig von § 814 BGB kann in allen Fällen der Bereicherungsanspruch nach § 818 Abs. 3 BGB wegen Wegfall der Bereicherung ausgeschlossen sein.
Beruft sich der Arbeitnehmer auf die Entreicherung, muss er grundsätzlich dartun und beweisen, dass er das zu viel empfangene Entgelt verbraucht hat und nicht ausgegeben hätte, wenn er von der Zuvielzahlung gewusst hätte. Der Entreicherung steht auch entgegen, wenn der Arbeitnehmer durch die Verwendung des Erlangten Ausgaben erspart hat, die er notwendig auch sonst gehabt hätte. Ist die Überzahlung bei Arbeitnehmern der unteren und mittleren Einkommensgruppen allerdings geringfügig, so ist nach der Rechtsprechung des BAG ohne nähere Darlegung durch den Arbeitnehmer davon auszugehen, dass eine Bereicherung nicht mehr vorliegt.
Rz. 49
Der Rückzahlungsanspruch geht nach der Rechtsprechung des BAG unter Einbeziehung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung auf den Bruttobetrag. Bei der Antragstellung ist im Hinblick auf § 26 SGB IV aber zu beachten, dass der Arbeitgeber nur einen Anspruch auf Abtretung des gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden Anspruchs hat. Die Rückzahlungspflicht bei den Steuern wird bejaht mit der Begründung, der Arbeitnehmer könne die Rückzahlungsbeiträge bei den Finanzbehörden als negatives Einkommen geltend machen. Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht unumstritten. Bereicherungsrechtlich schuldet der Arbeitnehmer nur die...