Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
- BGH: Auch bei Nießbrauchsbelastung eines Wohnungseigentums bleibt das Stimmrecht beim Wohnungseigentümer
- Eventuelle Verpflichtung des Eigentümers, bei Stimmabgabe die Interessen des Nießbrauchers zu berücksichtigen
Normenkette
( § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG; § 1066 BGB)
Kommentar
1. Auf Vorlage des OLG Hamm (Beschluss v. 19.6.2001, NZM 200, 1086 = ZMR 2001, 1004 = ZWE 2001, 560 = DWE 2001, 154) wegen der Abweichung von Entscheidungen des KG v. 1.4.1987 (OLGZ 1987, 417) und des OLG Hamburg v. 10.9.1987 (NJW-RR 1988, 267) hat der BGH eine weitere, bisher in Literatur und Rechtsprechung streitig behandelte Frage dahingehend entschieden, dass die Belastung eines Wohnungseigentums mit einem Nießbrauch das Stimmrecht des Wohnungseigentümers unberührt lässt; ein Stimmrecht geht hier auch nicht hinsichtlich einzelner Beschlussgegenstände auf den Nießbraucher über; auch muss ein Wohnungseigentümer sein Stimmrecht weder allgemein noch in einzelnen Angelegenheiten gemeinsam mit dem Nießbraucher ausüben. Damit folgt der Senat der wohl auch derzeit überwiegenden Ansicht in der Literatur.
Der auf Wohnungseigentum lastende Nießbrauch umfasst zwar durch den Miteigentumsanteil nach § 6 Abs. 2 WEG auch das mit ihm verbundene Sondereigentum, führt jedoch aufgrund der Besonderheiten des Wohnungseigentumsrechts als besonders ausgestaltetes Miteigentum nach Bruchteilen nicht zu einer eigenen Rechtstellung eines Nießbrauchers (was in der BGH-Entscheidung näher begründet wird). Aus der personenrechtlichen Gemeinschaftsstellung der Wohnungseigentümer folgt auch deren Stimmrecht als Mitverwaltungsrecht im Sinne des § 20 Abs. 1 WEG; dieses Stimmrecht kann weder allgemein ausgeschlossen, noch abgespalten werden. Deshalb sind im Gesetz Stimmrechte und Antragsbefugnisse jeweils nur den Wohnungseigentümern zugesprochen. Die durch das Sachenrecht des BGB insbesondere mit dem Nießbrauch eröffnete Abspaltung von Nutzungsrechten stößt deshalb hier an eine Grenze, sodass auch mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte eine analoge Anwendung des § 1066 Abs. 1 BGB nicht in Betracht kommt. Das Nießbrauchsrecht an Wohnungseigentum lastet nämlich nicht nur auf einem Miteigentumsanteil, sondern auch auf dem Sondereigentum des Wohnungseigentümers; letzteres steht, ungeachtet der rechtlichen Konstruktion des Wohnungseigentums, jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht im Vordergrund. Vergleicht man die Regelung des § 13 Abs. 1 WEG, liegt hierin auch ein maßgeblicher Unterschied zum Bruchteilsgemeinschaftsrecht nach § 745 Abs. 1 BGB.
2. Aus dem zwischen Eigentümer und Nießbraucher u.U. bestehenden (Begleit-) Schuldverhältnis kann ein Wohnungseigentümer jedoch im Einzelfall gegenüber seinem Nießbraucher verpflichtet sein, bei der Stimmabgabe dessen Interessen zu berücksichtigen, nach dessen Weisung zu handeln oder ihm eine Stimmrechtsvollmacht zu erteilen. Fehlt es an einer ausdrücklichen Vereinbarung, so ist für das Entstehen und den Umfang einer solchen Verpflichtung insbesondere die Regelung zur Tragung der Kosten des nießbrauchsbelasteten Wohnungseigentums maßgeblich. Durch eine solche Verpflichtung wird allerdings die Gültigkeit einer Beschlussfassung (mit Stimmrecht des Eigentümers) nicht berührt. Insoweit ist allerdings nur das Innenverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher maßgeblich.
Auch Schuldner der Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums gem. § 16 Abs. 2 WEG bleibt im Verhältnis zur Gemeinschaft allein der Eigentümer, selbst wenn sich hier aus dem internen Schuldverhältnis Eigentümer/Nießbraucher etwas anderes ergeben sollte. Eine Stimmrechtsaufspaltung rechtfertigt diese Umstände jedoch nicht; das Stimmrecht muss von klaren Voraussetzungen anhängig bleiben. Jedes andere Ergebnis würde zu erheblichen Beschwernissen in der Praxis führen. 3. Ob insoweit anderes zu einem bestellten Wohnungsrecht nach § 1093 BGB gilt (wie bisher vom BGH mit Urteil v. 26.11.1976, V ZR 258/74) entschieden, kann offen bleiben; diese Gedanken sind auf den vorliegenden Fall einer Nießbrauchsbestellung nicht übertragbar.
Link zur Entscheidung
( BGH, Beschluss vom 07.03.2002, V ZB 24/01, NZM 10/2002, 450)
Diese ausführlich begründete (19-seitige) Entscheidung hat damit eine langjährig umstrittene Rechtsfrage überzeugend unter Hinweis auf die Besonderheiten des Wohnungseigentumsrechts geklärt. Auch zum Stimm- und gerichtlichen Antragsrecht wird nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes stets nur vom "Wohnungseigentümer" gesprochen. Wenn allerdings der BGH unter Hinweis auf interne Schuldverpflichtungen des Eigentümers gegenüber seinem Nießbraucher und dessen Interessensberücksichtigung sogar die evtl. Pflicht zur Erteilung einer etwaigen Stimmrechtsvollmacht abspricht, ist ergänzend anzumerken, dass eine solche Vollmachtserteilung nur dann in Betracht kommen kann, wenn diese Möglichkeit auch in einer Gemeinschaftsordnung ausdrücklich erwähnt sein sollte oder wenn keine vollmachtseinschränkenden Vereinbarungen getroffen sein sollten; bei bishe...