1 Leitsatz
Bei der Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, ist auf den Nutzungszweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt. Geht der Zweck des Vertrags dahin, dass der Mieter die Räume weitervermietet oder sonst Dritten – auch zu Wohnzwecken – überlässt, sind die Vorschriften des Wohnraummietrechts auf das (Haupt-)Mietverhältnis nicht anwendbar.
2 Normenkette
§§ 133, 157, 535, 549 Abs. 1, 578 Abs. 2 BGB
3 Das Problem
Ob es sich bei der Vermietung von Räumen um ein Mietverhältnis über Wohnraum oder um eine gewerbliche Vermietung handelt, ist insbesondere entscheidend für den Schutz des Mieters vor Kündigung und Mieterhöhung. Während der Wohnungsmieter einen sehr umfassenden Kündigungsschutz genießt, weil eine Wohnung nur bei Vorliegen eines gesetzlichen Kündigungsgrunds (z. B. Eigenbedarf) gekündigt werden kann und der Mieter auch dann noch der Kündigung wegen Vorliegens von Härtegründen widersprechen kann, besteht bei gewerblichen Mietverhältnissen ein freies Kündigungsrecht, d. h., ein gewerblicher Mietvertrag kann auch ohne Angabe und Vorliegen von besonderen Gründen gekündigt werden. Entsprechendes gilt für Mieterhöhungen. Auch hier ist der Wohnungsmieter durch gesetzliche Bestimmungen stark geschützt. Dagegen kann bei gewerblichen Mietverhältnissen die Miete auch durch eine sog. Änderungskündigung erhöht werden, d. h. durch Kündigung des Mietverhältnisses verbunden mit dem Angebot eines neuen Mietvertrags mit einer höheren Miete.
4 Die Entscheidung
Dass es sich bei den vermieteten Räumen um eine Wohnung und bei dem abgeschlossenen Mietvertrag um ein Formular für Wohnraum handelt, schließt nach einem neuen Beschluss des BGH nicht aus, dass eine gewerbliche Vermietung vorliegt. Bei der Frage, ob trotz Vermietung von Räumen zu Wohnzwecken ein gewerbliches Mietverhältnis über Geschäftsräume vorliegt, ist nach Auffassung des BGH nämlich auf den Nutzungszweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung verfolgt. Liegt dieser nicht in der Selbstnutzung, sondern in der Weitervermietung der Räume, sind die Vorschriften des Wohnraummietrechts (z. B. über verstärkten Schutz vor Kündigungen und Mieterhöhungen) nicht anwendbar. Dies gilt auch dann, wenn die Vertragsurkunde mit "Mietvertrag über Wohnraum" überschrieben ist, da eine solche Überschrift nur Indizwirkung hat. Auch in diesem Fall muss der Nutzungszweck durch Auslegung bestimmt werden. Gleiches gilt, wenn die Parteien vereinbart hatten, dass sich die Frist der ordentlichen Kündigung nach § 573c BGB (gestaffelte Kündigungsfristen für Wohnraum) zu richten hat. Auch daraus ist nicht zu schließen, dass stillschweigend auch das Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 BGB vereinbart wurde. Vielmehr spricht die Einbeziehung nur der gestaffelten Kündigungsfristen gegen die konkludente Anwendung weiterer Vorschriften des Wohnraummietrechts.
Nach diesen Grundsätzen liegt ein Mietverhältnis über Geschäftsräume z. B. dann vor,
- wenn Räume an eine juristische Person, z. B. eine GmbH oder eine Personenhandelsgesellschaft, vermietet werden, da diese keinen eigenen Wohnbedarf haben kann;
- wenn ein Unternehmen eine Wohnung vom Eigentümer anmietet, um sie an betriebsangehörige Personen weiterzuvermieten;
- wenn ein karitativ tätiger Verein eine Wohnung zur Unterbringung von Personen anmietet, die vom Verein betreut und unterstützt werden;
- wenn ein Verein ein Wohnhaus anmietet, das von den Mitgliedern entsprechend dem Vereinszweck zu Wohnzwecken genutzt wird;
- wenn eine Eigentümergemeinschaft eine Eigentumswohnung anmietet, um darin den Hausmeister unterzubringen.
5 Entscheidung
BGH, Urteil v. 13.1.2021, VIII ZR 58/20