Entscheidung
In beiden Verfahren hatten die Kläger im Zusammenhang mit dem Erwerb von Comroad-Aktien Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt kapitalmarktrechtlicher Informationsdeliktshaftung gegen die Comroad AG bzw. deren ehemaligen Vorstandsvorsitzenden geltend gemacht. Die Comroad AG hatte über ihren Vorstandsvorsitzenden wesentliche Teile ihrer sowohl in den Ad-hoc-Mitteilungen als auch im Verkaufsprospekt veröffentlichten angeblichen Umsätze mit Hilfe von Scheinfirmen fingiert. Nach Bekanntwerden dieser Tatsache fiel der Kurs der Aktie deutlich.
Hinweis
Die Kläger hatten ihre Schadensersatzansprüche gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden auf § 826 BGB bzw. gegen die AG, die für deliktisches Verhalten ihres Vorstands einstehen muss, auf § 31 BGB analog gestützt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (BGHZ 160, 134 - Infomatec I; 160, 149 - Infomatec II) verstößt die direkt vorsätzliche unlautere Beeinflussung des Kapitalmarkpublikums durch Mitteilung grob unrichtiger Unternehmenskennzahlen - wie sie hier in Form des Verkaufsprospektes und den späteren Ad-hoc-Mitteilungen vorlagen - gegen die Mindestanforderungen des lauteren Rechtsverkehrs auf dem Kapitalmarkt. Im Falle ihrer Ursächlichkeit für den Kaufentschluss des Aktienerwerbers wird diesem gegenüber eine grundsätzlich auf Naturalrestitution gerichtete Schadensersatzhaftung des verantwortlichen Vorstands nach § 826 BGB (und dementsprechend der Gesellschaft nach § 31 BGB analog) begründet. Der BGH hat dabei immer betont, dass ein konkreter Kausalzusammenhang zwischen der betreffenden Kapitalmarktinformation und der jeweiligen Anlageentscheidung bestehen muss (BGH, BB 2005, 1644 - EM.TV; BGH, BB 2007, 962 - Comroad I; BGH, BB 2007, 960 - Comroad II; BGH, DB 2007, 627 - Comroad III; BGH, BB 2007, 1806 - Comroad IV; BGH, DB 2007, 2707 - Comroad V). Dass die hierfür entwickelten Grundsätze auch für den Bereich des Primärmarktes gelten, hat der BGH nunmehr in den vorliegenden Entscheidungen ausdrücklich klargestellt.
Das Berufungsgericht hatte versucht, den geforderten Kausalzusammenhang damit zu begründen, dass die unrichtigen Angaben im Verkaufsprospekt nicht hinweggedacht werden könnten, ohne dass der Erfolg in Gestalt des späteren Aktienerwerbs des jeweiligen Käufers entfiele. Es hatte angenommen, bei zutreffender Angabe der geringeren Umsatzzahlen im Verkaufsprospekt hätte sich keine Bank bereit gefunden, die Emission, die in diesem Falle nicht Erfolg versprechend gewesen wäre, zu begleiten. Diesen Erwägungen hat der BGH eine klare Absage erteilt. Es sei untauglich, wenn man im Bereich der Informationsdeliktshaftung - egal ob auf dem Primär- oder Sekundärmarkt - die strafrechtliche Conditio-sine-qua-non-Formel anwende. Es müsse auf die adäquate Kausalität und auf den Schutzzweck der Norm abgestellt werden. Geschützt werde die Integrität der Willensentschließung des potentiellen Anlegers vor einer unlauteren irreführenden Beeinträchtigung durch falsche Prospekt- oder Ad-hoc-Publizität, das heißt also die konkrete Anlegerentscheidung, und nicht lediglich das allgemeine Anlegervertrauen (so auch bereits in BB 2007, 1806 - Comroad IV).
Der BGH hat das Urteil des Berufungsgerichts daher aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das Berufungsgericht wird in dem neu zu eröffnenden Verfahren den Klägern Gelegenheit geben müssen, ihren Sachvortrag zum Kausalzusammenhang zu konkretisieren. Die Voraussetzungen einer Parteivernehmung nach § 448 ZPO werden zu prüfen sein. Die Parteivernehmung nach § 448 ZPO darf von Amts wegen nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht, sodass bereits "einiger Beweis" (sog. Anfangsbeweis) erbracht ist (st.Rspr.; vgl. z.B. BGH, Urteil v. 5.7.1989, VIII ZR 334/88, NJW 1989, 3222, 3223; BGH, Urteil v. 24.9.1991, IV ZR 172/90, VersR 1991, 917, 918 - jeweils m.w.N.). In der Praxis wird der Nachweis des konkreten Kausalzusammenhangs damit oft schwierig bleiben. Fraglich ist beispielweise, ob Anleger die fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilung selbst gelesen haben müssen. Oft haben sie sich nur in den Medien informiert. Der BGH hat dazu bislang noch nicht ausführlich Stellung genommen, sondern lediglich in einer Entscheidung festgestellt, dass Presseberichte oder Analystenempfehlungen dem Emittenten bzw. den verantwortlichen Vorständen jedenfalls dann nicht im Sinne einer Verantwortlichkeit nach § 826 BGB zuzurechnen sind, wenn nicht einmal konkret die ausdrückliche Erwähnung der Mitteilungen in solchen bewertenden Presseberichten oder Analystenempfehlungen dargetan ist.
Im einem der vorliegenden Fälle hat der BGH aber bereits angemerkt, dass einige der Kläger selbst für den Fall, dass der Nachweis der konkreten Kausalität nicht gelingen sollte, nicht notwendigerweise ohne Ansprüche verbleiben. Wegen der falschen Prospektangaben kommen börsengesetzliche Prospekthaftungsansprüche in Betracht, die ni...