Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 28 WEG, § 675 BGB, § 257 HGB, § 147 AO
Kommentar
1. Eine Gemeinschaft hatte mehrheitlich beschlossen:
"Die Verwaltungsakten der letzten zwei vollen Kalenderjahre verbleiben beim Verwalter. Die Unterlagen ab dem 3. Kalenderjahr werden datensicher zulasten der Gemeinschaft vernichtet. Ausdrücklich sind Gewährleistungsunterlagen, Protokolle, Wartungsverträge, Gerichtsentscheidungen und Versicherungsverträge von der Vernichtung ausgeschlossen."
Das AG Recklinghausen und das LG Bochum haben diesen Beschluss auf Anfechtung/Beschwerde hin für ungültig erklärt. Das Amtsgericht bestätigte, dass Verwaltungsunterlagen insgesamt Eigentum der Eigentümergemeinschaft seien und von daher eine Vernichtung nur einstimmig beschlossen werden könne; i. ü. entspreche der Beschluss nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung, da auch die Eigentümergemeinschaft steuerliche und handelsrechtliche Bestimmungen beachten müsse, die eine Vernichtung jedenfalls nach 2 Jahren nicht gestatteten.
Das Landgericht führte weiterhin aus, dass ein Beschlussanfechtungsrecht nicht voraussetze, dass der Anfechtende konkrete, ihn selbst durch den angefochtenen Beschluss entstehende Nachteile im Sinne eines Rechtsschutzbedürfnisses darlegen müsse. Für die Länge der Aufbewahrungszeit solcher Verwaltungsunterlagen seien handels- und steuerrechtliche Vorschriften nach Sinn und Zweck entsprechend anzuwenden; dies folge auch aus dem Einführungserlass zur Abgabenordnung (Bundessteuerblatt 1976 I, 576ff.), der ausdrücklich den Verwalter des gemeinschaftlichen Eigentums der Wohnungseigentümer nenne, der aufgrund § 28 Abs. 1, 3 WEG eine besondere Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht zu erfüllen und insoweit Unterlagen nach § 147 AO aufzubewahren habe.
Auch die Bestimmung des § 257 HGB sei ergänzend heranzuziehen. Diese vorgenannten Bestimmungen gingen von einer Mindestaufbewahrungsfrist von 6 Jahren aus. Durch diese Vorschriften solle sichergestellt werden, dass die Geschäftstätigkeit eines Kaufmanns zumindest noch eine gewisse Zeit lang zurückverfolgt werden könne. Auch wenn es sich bei der Eigentümergemeinschaft als solcher nicht um einen Kaufmann im Sinne des HGB handele, sei die Interessenlage dennoch vergleichbar. Auch für die Eigentümergemeinschaft könne es erforderlich sein, die sie betreffenden Angelegenheiten noch eine gewisse Zeit lang zurückverfolgen zu können. Somit könnten auch für ggf. bestehende wechselseitige Ansprüche Unterlagen wie z. B. Kontoauszüge und Quittungen oder Ähnliches, die älter als 2 Jahre seien, durchaus noch von Belang sein; dies gelte auch für ggf. bestehende Regressansprüche gegen den Verwalter, die allein durch einen seine Entlastung betreffenden Beschluss nicht ausgeschlossen seien. Es liege daher auch im Interesse der Gemeinschaft, dass sämtliche sie betreffenden Verwaltungsunterlagen noch längere Zeit aufbewahrt würden.
Das Interesse des Verwalters, wegen des mit der Verwahrung verbundenen Aufwandes zu einer frühzeitigen Vernichtung von Unterlagen zu kommen, sei demgegenüber zweitrangig. Da nach steuer- und handelsrechtlichen Vorschriften eine Mindestaufbewahrungszeit von 6 Jahren vorgesehen sei, müsse der Beschluss mit zu kurz festgelegter Aufbewahrungszeit als ungültig erklärt werden, wobei über die konkrete Aufbewahrungszeit von Verwaltungsunterlagen die Kammer nicht habe befinden müssen; es spreche jedoch vieles dafür, dass eine Aufbewahrungszeit von mindestens 6 Jahren angebracht erscheine.
2. Bei Beschwerdewertfestsetzung des LG auf DM 2.000,- wurde die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung vom OLG Hamm mangels Erreichens des Rechtsbeschwerdewerts von DM 1.200,- ( § 45 Abs. 1 WEG) als unzulässig verworfen bei Geschäftswertansatz des Rechtsbeschwerdeverfahrens von DM 1.000,- und Kostenentscheidung zulasten des Rechtsbeschwerdeführers (einschl. außergerichtlicher Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren).
Link zur Entscheidung
( AG Recklinghausen, Beschluss vom 04.12.1991, 11 II 17/91; LG Bochum, Beschluss v. 03.04.1992, 7 T 21/92; OLG Hamm, Beschluss v. 26.01.1993, 15 W 154/92)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
In ähnlichem Sinne entschied bereits rechtskräftig das Amtsgericht München ( AG München, Beschluss v. 15.12.1989, UR II 424/89- vgl. Anmerkung). Auch in der Münchener Entscheidung wurde herausgestellt, dass zwar auf Unterlagen im Eigentum der Gemeinschaft Vorschriften des Handelsrechts oder des Steuerrechts über die Aufbewahrung nicht unmittelbar anzuwenden seien, dass man jedoch nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschriften unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse einer Gemeinschaft eine Aufbewahrungsfrist von 6 Jahren einhalten solle.
Im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung sollte also nunmehr bei etwaigen Vernichtungsbeschlüssen von dieser 6-jährigen Frist ausgegangen werden, auch wenn eine Gemeinschaft weder Kaufmann ist noch unmittelbar handels- oder steuerrechtlichen Vorschriften unterworfen ist. Entscheidend kann m. E. allein sein, dass auch noch einige Zeit ...