1 Leitsatz

Lautet ein Beschluss "Die Abweisbleche sollen entfernt werden", handelt es sich nach einer Auslegung um einen (in der Praxis häufig vorkommenden) Aufforderungsbeschluss, der rechtmäßig ist. Mit diesem wird keine Rückbauverpflichtung begründet.

2 Normenkette

§ 20 WEG

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer beschließen zu TOP 17, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, die Entfernung von Abweisblechen an einer Balkondecke durchzusetzen. Der Beschluss lautet wie folgt: "Die Verwalterin wird ermächtigt, die Kanzlei K., Herrn Rechtsanwalt R., mit der Vertretung der Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft … zu beauftragen. Herr R. soll den Auftrag erhalten, außergerichtlich und ggf. gerichtlich gegen das Anbringen von Abweisblechen an der Balkondecke der Wohneinheit Nr. …, Eigentümer: Eheleute K., vorzugehen. Die Abweisbleche sollen entfernt werden." Gegen den Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor, der die Abweisbleche angebracht hat.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Auch wenn der letzte Satz des Beschlusses laute "Die Abweisbleche sollen entfernt werden", handele es sich – wie die Auslegung ergebe – um einen (in der Praxis häufig vorkommenden) Aufforderungsbeschluss, der sich als rechtmäßig erweise. Mit diesem werde insbesondere die Rückbauverpflichtung nicht begründet. Denn für eine konstitutive Begründung der Rückbauverpflichtung bestünde keine Beschlusskompetenz; eine konstitutive Begründung der Rückbauverpflichtung sei daher regelmäßig nicht Gegenstand der Beschlussfassung. Wenn trotzdem (wie es häufig vorkomme) beschlossen werde, dass dem betreffenden Miteigentümer die Entfernung der baulichen Veränderung aufgegeben werde, sei der Beschluss so zu verstehen, dass er nicht konstitutiv die Rückbauverpflichtung begründen wolle (dann sei er nichtig), sondern dass er (potenziell wirksam) eine Aufforderung zum Rückbau ausspreche und die gemeinschaftliche Rechtsverfolgung vorbereite. Ein solcher Beschluss habe mangels konstitutiver Wirkung keine für den Verpflichteten nachteilige Wirkung. Insbesondere sei die Frage, ob der Verpflichtete der an ihn gerichteten Aufforderung nachkommen müsse oder nicht, (erst) im Folgeprozess zu klären und nicht im Zuge der Anfechtung des Aufforderungsbeschlusses.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es vor allem darum, ob die Wohnungseigentümer eine Beschlusskompetenz dafür besitzen, einen von ihnen zur Unterlassung oder Beseitigung aufzufordern und ihren Willen insoweit durch Beschluss zu artikulieren.

Abmahn-/Aufforderungs-/Vorbereitungsbeschluss

Die Wohnungseigentümer haben, wie der BGH unlängst geklärt hat, eine Beschlusskompetenz für einen "Abmahn-/Aufforderungs-/Vorbereitungsbeschluss". Mit diesem wird ein Wohnungseigentümer auf eine (Unterlassungs-)Pflicht hingewiesen, ohne die Pflicht durch den Beschluss zu begründen. Entscheidend dafür, ob ein "Abmahn-/Aufforderungs-/Vorbereitungsbeschluss" vorliegt, ist die Frage, ob der Beschluss eine Aussage zu dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Beseitigung bzw. Unterlassung enthält oder ob er dies, wie in der Regel und im Zweifel, dem gerichtlichen Verfahren gegen den betroffenen Wohnungseigentümer überlässt.

Prozessuale Fragen

Im Rahmen einer gegen einen Aufforderungsbeschluss gerichteten Anfechtungsklage sind nur formale Beschlussmängel zu prüfen. Ob ein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch bestehe, sei in einem gegebenenfalls anzustrengenden Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren zu klären. In dem Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren sei das Gericht an die in dem Aufforderungsbeschluss niedergelegte Auffassung der Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht gebunden.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Wenn die Wohnungseigentümer ihren Willen, wie mit Verstößen gegen das Gesetz oder Vereinbarungen umzugehen ist, durch Beschluss artikulieren und einen Wohnungseigentümer, der gegen das Gesetz oder die Bestimmungen der Wohnungseigentümer verstößt, durch Beschluss auffordern, sein Verhalten zu verändern, darf der Beschluss nicht so formuliert werden, als wollten die Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung begründen. Es geht stets nur darum, einen Wohnungseigentümer abzumahnen, bevor man gegebenenfalls auf Unterlassung oder Beseitigung klagt. So sollte formuliert werden.

6 Entscheidung

LG Karlsruhe, Urteil v. 20.7.2023, 11 S 82/22

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