Dr. Hendrik Thies, Tina Bieniek
Zusammenfassung
Kündigt der Gesellschafter einer Publikums-GbR seine Mitgliedschaft an der Gesellschaft und wird vor Wirksamkeit dieser Kündigung die Auflösung der Gesellschaft beschlossen, erhält er nur seinen Anteil am Auseinandersetzungsguthaben, nicht aber die für den Fall der Kündigung vorgesehene Abfindung.
Hintergrund
Die Klägerinnen waren als Gesellschafter an der Beklagten, einer Publikumsgesellschaft bürgerlichen Rechts, beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten ließ eine ordentliche Kündigung der Mitgliedschaft an der Beklagten mit einer Frist von 6 Monaten auf das Jahresende zu. Für den Fall einer Kündigung sah der Gesellschaftsvertrag zudem vor, dass die Beklagte von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt werde, wenn diese nicht binnen 3 Monaten etwas anderes beschlössen. Unabhängig davon war im Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit geregelt, die Beklagte durch einen jederzeit möglichen qualifizierten Mehrheitsbeschluss aufzulösen.
Die Klägerinnen kündigten ihre Mitgliedschaft an der Beklagten fristgerecht zum Ablauf des 31.12.2013. Noch im gleichen Jahr, jedoch nach Ablauf der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen 3-Monats-Frist, beschlossen die Gesellschafter der Beklagten die Auflösung der Gesellschaft.
Die Klägerinnen verlangten in der Folge die Zahlung einer Abfindung wie im Gesellschaftsvertrag für den Fall der ordentlichen Kündigung vorgesehen. Die Beklagte verweigerte die Zahlung einer Abfindung unter Hinweis darauf, dass die Klägerinnen Mitglieder der Liquidationsgemeinschaft seien und ihnen als solche nur ein – unter der begehrten Abfindung liegender – Anteil am Liquidationserlös zustehe. Die in erster Instanz erfolgreiche Zahlungsklage der Klägerinnen wurde durch das OLG Dresden abgewiesen.
Urteil des BGH v. 6.2.2018, II ZR 1/16
Die gegen die Abweisung in der zweiten Instanz gerichteten Revisionen der Klägerinnen blieben ohne Erfolg. Der BGH stellte klar, dass den Klägerinnen keine gesonderte Abfindungszahlung zustünde, sondern diese – wie auch die übrigen Gesellschafter der Beklagten – als Teil der Liquidationsgemeinschaft an den Liquidationserlösen zu beteiligen seien. Er begründete dies unter anderem damit, dass mit der Auflösung der Beklagten – auch wenn diese über 3 Monate nach der Kündigung durch die Klägerinnen durch Gesellschafterbeschluss mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen worden sei – die Ausscheidenswirkung der Kündigung und damit auch der daraus resultierende Abfindungsanspruch entfallen sei.
Auswirkungen des Urteils des BGH für die Praxis:
Die Entscheidung des BGH sowohl für die Gesellschafter von Publikumsgesellschaften bürgerlichen Rechts als auch für die Gesellschaften selbst von hoher Relevanz. Diese sollten nun im Hinterkopf behalten, dass eine ordentliche Kündigung von einem Auflösungsbeschluss zeitlich "überholt" werden kann. In der Folge bleibt der kündigende Gesellschafter Teil der Liquidationsgemeinschaft und erhält als solcher nur seinen Anteil am Liquidationserlös statt der Abfindung für den Fall der Kündigung. Dies kann sich – je nachdem, ob die Abfindung für den Fall der Kündigung höher oder niedriger ist als der Anteil am Liquidationserlös – sowohl zugunsten als auch zulasten des Gesellschafters auswirken.
Die Entscheidung des BGH zeigt vor diesem Hintergrund erneut, welch erhebliche Bedeutung einer durchdachten Gestaltung des Gesellschaftsvertrags zukommt. Dies gilt nicht nur für Publikumsgesellschaften – auch wenn sich das Urteil des BGH ausdrücklich nur auf diese bezieht. Denn auch bei anderen Personengesellschaften kann die Kündigung eines Gesellschafters auf einen bestimmten Zeitpunkt bei gleichzeitiger Fortsetzung der Gesellschaft (welche bei der GbR freilich nur bei entsprechender Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag stattfindet) durch einen späteren Auflösungsbeschluss überholt werden. Angesichts des aktuellen BGH-Urteils dürfte sich auch für diese Fälle die Frage stellen, ob der Gesellschafter die für den Fall der Kündigung vorgesehene Abfindung oder nur seinen Anteil am Liquidationserlös erhält. Bis zu einer gerichtlichen Klärung dieser Frage auch für Nicht-Personengesellschaften empfiehlt es sich daher, diese Fälle ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag zu regeln.