Leitsatz

Der BGH hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Aufnahme einer neuen Beziehung durch den Unterhaltsberechtigten einen Härtegrund i.S.v. § 1579 Nr. 7 i.V.m. § 1361 Abs. 3 BGB darstellt und ob zu differenzieren ist zwischen der Aufnahme einer heterosexuellen und einer gleichgeschlechtlichen Beziehung.

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten um den Trennungsunterhalt. Die Klägerin hatte sich nach 25 Jahren aus der Ehe, aus der fünf gemeinsame Kinder hervorgegangen waren, gelöst und war zu einer Freundin gezogen, zu der sie später auch eine intime Beziehung aufnahm.

Sie begehrte von dem Ehemann Trennungsunterhalt und berief sich darauf, aus gesundheitlichen Gründen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht in der Lage zu sein.

Der Beklagte wandte gegen den Unterhaltsanspruch Verwirkung ein, da der Klägerin ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihr liegendes Fehlverhalten zur Last falle, da sie aus der intakten Ehe ausgebrochen sei.

Das AG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen und war der Auffassung des Beklagten zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gefolgt.

Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG zeitlich gestaffelt Trennungsunterhalt in unterschiedlicher Höhe zuerkannt und die Auffassung vertreten, der Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB könne bereits deswegen nicht vorliegen, weil die Abkehr der Klägerin aus der Ehe nicht ohne objektiven Grund, sondern aufgrund ihrer ernsthaften und nachhaltigen sexuellen Umorientierung erfolgt sei. Das Verhalten der Klägerin sei jedenfalls nicht schuldhaft.

Gegen das Berufungsurteil wandte sich der Beklagte mit der zugelassenen Revision, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebte. Die Klägerin hat sich der Revision angeschlossen.

Revision und Anschlussrevision führten zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

 

Entscheidung

Der BGH hat eine andere Wertung des Sachverhalts vorgenommen als das Berufungsgericht. Er kritisierte, dass dessen Ansatz, wonach es der Klägerin wegen ihrer sexuellen Umorientierung nicht habe verwehrt werden können, sich aus der ehelichen Gemeinschaft zu lösen, verkenne, dass dieser Schritt der Klägerin ohnehin nicht vorgeworfen werden könne. Dem Unterhaltsberechtigten stehe es frei, die eheliche Lebensgemeinschaft aufzuheben.

Der entscheidende Gesichtspunkt für die Annahme eines Härtegrundes gemäß § 1579 Nr. 7 BGB sei nicht in der Trennung als solcher zu sehen, sondern in der Widersprüchlichkeit des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten, der sich zum einen aus der ehelichen Bindung löse, zum anderen aber die eheliche Solidarität durch ein Unterhaltsbegehren einfordere, ohne seinerseits das Prinzip der Gegenseitigkeit zu wahren. Dieses Prinzip werde verletzt, wenn der Berechtigte sich gegen den Willen seines Ehegatten einem anderen Partner zuwende und jenem die dem Ehegatten geschuldete Hilfe und Fürsorge zuteil werden lasse. Eine in dieser Weise erfolgte Abkehr von der Ehe, die vor allem in der Begründung einer ehelichen Gemeinschaft oder der Aufnahme eines nachhaltigen, auf längere Dauer angelegten intimen Verhältnisses liegen könne, führe dazu, dass die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten auf Unterhalt grob unbillig erscheine (BGH, Urt. v. 23.4.1980 - IVb ZR 527/80, FamRZ 1980, 665, 666 f.; v. 26.1.1983 - IVb ZR 344/81, FamRZ 1983, 569, 572; v. 27.9.1989 - IVb ZR 78/88, FamRZ 1989, 1279, 1280).

Für den Unterhaltsverpflichteten mache es keinen maßgebenden Unterschied, ob sein Ehegatte eine Beziehung zu einem Mann oder zu einer Frau aufgenommen habe. Die sexuelle Umorientierung der Klägerin gebe keinen Anlass zu unterhaltsrechtlichen Sanktionen. Die Entwicklung gleichgeschlechtlicher Neigungen und die deshalb vorgenommene Trennung blieben dem Berechtigten unbenommen. Die Annahme eines Härtegrundes nach § 1579 Nr. 7 BGB sei erst dann gerechtfertigt, wenn der Berechtigte sich unter Abkehr von der Ehe einem anderen Partner zuwende.

Maßgeblich sei vielmehr, ob sich die Trennung der Klägerin als Ausbruch aus einer intakten Ehe darstelle oder die Ehe im Februar 2000 bereits aus anderen Gründen gescheitert gewesen sei. Sollte dies der Fall gewesen sein, liege ein schwerwiegendes, eindeutig der Klägerin anzulastendes Fehlverhalten nicht vor. Die erforderlichen Feststellungen hierzu seien vom Berufungsgericht nachzuholen.

 

Hinweis

Der BGH stellt in seiner Entscheidung klar, dass es für die Frage der Verwirkung nicht maßgeblich ist, ob sich der unterhaltsbedürftige Ehegatte einem gleichgeschlechtlichen oder einem anders geschlechtlichen Partner zuwendet. Allein relevant sei vielmehr, ob diese Hinwendung zu dem neuen Partner einen Ausbruch aus intakter Ehe darstelle. Sanktioniert werde nicht die Hinwendung zu einem neuen Partner, sondern der darin liegende Verstoß gegen die eheliche Solidarität.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 16.04.2008, XII ZR 7/05

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