Leitsatz

Bei einer nur teilweisen Hinderung an einer Erwerbstätigkeit kann neben den Anspruch auf Betreuungs- oder Krankheitsunterhalt ein ergänzender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB treten.

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten um die Abänderung des nachehelichen Unterhalts für die Zeit ab Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts zum 1.1.2008. Der Frau stand bis Ende 2007 auf Grundlage des früheren Altersphasenmodells noch Betreuungsunterhalt für eine 1995 geborene Tochter zu. Darüber hinaus hatte die Vorinstanz der Frau für eine weitere "Karenzzeit von 3 Monaten" ab Inkrafttreten der Unterhaltsrechtreform Betreuungsunterhalt zugebilligt, wobei es dem Vertrauen der Unterhaltsberechtigten in das nach früherem Recht geltende Altersphasenmodell besonderes Gewicht einräumte. Für die Zeit danach (ab April 2008) sei ihr, unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung durch "psychosomatische Beschwerden", zumindest eine 6-stündige tägliche Arbeitszeit zuzumuten.

Der BGH hatte an dem grundsätzlichen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nichts auszusetzen, monierte aber die zugrunde gelegte Anspruchsgrundlage:

"Der Senat unterscheidet in ständiger Rechtsprechung bei der Abgrenzung des nachehelichen Unterhalts wegen eines Erwerbshindernisses nach den §§ 1570 bis 1572 BGB und des Aufstockungsunterhalts nach § 1573 Abs. 2 BGB danach, ob wegen des Hindernisses eine Erwerbstätigkeit vollständig oder nur zum Teil ausgeschlossen ist."

Wenn der Unterhaltsberechtigte vollständig an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, ergibt sich der Unterhaltsanspruch allein aus den §§ 1570 bis 1572 BGB und zwar auch für den Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht auf dem Erwerbshindernis, sondern auf dem den angemessenen Lebensbedarf übersteigenden Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB beruht.

Ist der Unterhaltsberechtigte hingegen nur teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert, ergibt sich der Unterhaltsanspruch wegen des allein durch die Erwerbshinderung verursachten Einkommensausfalls aus §§ 1570 bis 1572 BGB und im Übrigen als Aufstockungsunterhalt aus § 1573 Abs. 2 BGB. Das gilt auch für die Abgrenzung von Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB und Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB.

Wegen der Aufgabe des "Altersphasenmodells" im neuen Unterhaltsrecht war der Frau spätestens ab April 2008 (der BGH billigte die von der Vorinstanz angenommene Karenzzeit von 3 Monaten) kein Betreuungsunterhalt mehr zuzusprechen. Vielmehr war ihr nach der neuen Rechtslage grundsätzlich eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zuzumuten. Lediglich aus gesundheitlichen Gründen war die Erwerbsobliegenheit auf eine "nach ihrem Gesundheitszustand mögliche 6-stündige Tätigkeit" begrenzt.

Damit ergab sich für die Zeit ab April 2008 der Unterhaltsanspruch aber aus § 1572 Nr. 2 BGB (Krankheitsunterhalt) und § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt) und nicht aus § 1570 BGB a.F. und § 1573 Abs. 2 BGB, wie das Berufungsgericht angenommen hatte.

 

Hinweis

Der BGH bekräftigt in dieser Entscheidung seine Rechtsprechung, wonach neben den Anspruch auf Betreuungs-, Alters- oder Krankheitsunterhalt nach den Vorschriften der §§ 1570 bis 1572 BGB ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) treten kann, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte, sei es im Hinblick auf die Kinderbetreuung oder aus gesundheitlichen Gründen, nur teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 14.4.2010, XII ZR 89/08.

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