Leitsatz
Entstehen dem Versicherungsnehmer zusätzliche Aufwendungen deshalb, weil er die von ihm geschuldete Leistung zunächst nicht ordnungsgemäß erbracht hat, stellen diese keine Rettungskosten im Sinne der Nr. 4.1 SVS/RVS dar.
Normenkette
§ 63 VVGNr. 4.1 SVS/RVS
Sachverhalt
Die Kl., ein Spediteurunternehmen, nahm die Bekl. als Speditionsversicherer auf Ersatz von Aufwendungen in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag lag der Speditions- und Rollfuhrversicherungsschein (SVS/RVS) i.d.F. von 1994 zugrunde.
Die Kl. wurde von der ungarischen Fa. R. beauftragt, zu festen Kosten 70 t Pfeffer in H. (Deutschland) auf Einwegpaletten zu verladen und per LKW nach M. zu transportieren. Dort sollte die Ware in der Bestrahlungsanlage der Fa. X. entkeimt werden, um anschließend zur Endempfängerin nach B. verbracht und in handelsüblichen Mengen abgefüllt und verpackt zu werden. Für die Entladung des Sackguts in H. und das Aufpacken auf die mit 1,20 × 1,00 × 1,95 m vorgegebenen Paletten bediente sich die Kl. der Fa. S. Den Transport nach M. übernahm die Fa. G. Anlässlich der Anlieferung bei der Fa. X. wurde festgestellt, dass die Außenmaße der Paletten überschritten waren, sodass diese nicht in die Bestrahlungsanlage passten. Da die ungarische Empfängerin Schadenersatzansprüche wegen drohenden Produktionsausfalls ankündigte, sollte die Lieferung nicht fristgerecht bei ihr eintreffen, wurde die Ware auf Veranlassung der Kl. abgeladen, nach Zwischenlagerung in sog. Big Bags umgefüllt und in den richtigen Maßen palettiert. Die hierfür in Rechnung gestellten Kosten macht die Kl. gegenüber der Bekl. unter Berufung auf Nr. 4 SVS/RVS geltend. Die Klausel lautete:
4.1 Die Versicherer ersetzen zusätzlich die Aufwendungen zur Abwendung und Minderung eines ersatzpflichtigen Schadens, soweit sie den Umständen nach geboten waren (§ 63 VVG);
4.2 vom Spediteur oder Zwischenspediteur aus Anlass einer Fehlleistung aufgewendete Beförderungsmehrkosten einschließlich notwendiger anderer Kosten, sofern sie zur Verhütung eines ersatzpflichtigen Schadens erforderlich waren.
Das LG hat der Klage unter Abzug eines Eigenanteils gem. Nr. 15. 1 SVS/RVS statt gegeben. Die Berufung der Bekl. hat zur vollen Klageabweisung geführt. Die Revision der Kl. hat keinen Erfolg.
Entscheidung
I. …
II. 1. Der BGH führt aus, die Speditionsversicherung nach dem SVS/RVS sei eine Schadensversicherung. Gegenstand des Vertrages seien Verkehrsverträge, also Speditions-, Fracht- und Lagerverträge, unter Einschluss der im Speditionsgewerbe üblichen Vereinbarungen, so z. B. auch über die Verpackung und das Ver- und Entladen von Gütern (Nr. 1. 1 SVS/RVS). Die Versicherung werde gem. Nr. 2 SVS/RVS für fremde Rechnung genommen und ersetze nach den §§ 39, 41a ADSp a.F. die Haftung des Spediteurs, auch soweit er die Rechte und Pflichten eines Frachtführers (§§ 413, 429 ff., HGB a.F.) hat. Versichert sei in dem durch Nr. 3 SVS/RVS näher beschriebenen Umfang das Interesse, dass den Versicherten aus dem Transport oder im Zusammenhang damit kein Sach- oder Vermögensschaden trifft. Nach Nr. 2 SVS/RVS versichert seien neben dem Auftraggeber des Spediteurs oder Frachtführers auch sonstige Dritte, denen das versicherte Interesse zum Zeitpunkt des Schadensereignisses zugestanden hat. Das seien solche Wareninteressen, die zu dem beförderten Gut derart in rechtlicher Beziehung stehen, dass sie im Versicherungsfall auf Grund dieser rechtlichen Beziehung einen Nachteil erleiden.
2.a) Das BG habe keine näheren Feststellungen dazu getroffen, ob die in B. ansässige Empfängerin als Wareninteressentin anzusehen sei. Zu Gunsten der Kl. sei daher für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass die Empfängerin der Ware Versicherte gem. Nr. 2 SVS/RVS gewesen sei. Ihr sei jedoch kein Vermögensschaden i.S.d. Nr. 3.1.3 SVS/RVS entstanden. Denn die Kl. habe durch die von ihr veranlasste Umverpackung sichergestellt, dass die Ware in M. bestrahlt werden und danach fristgerecht in Ungarn habe eintreffen können.
b) Das BG sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Kl. die ihr daraus erwachsenen Aufwendungen nicht erstattet verlangen könne. Zwar sehe Nr. 4.1 SVS/RVS vor, dass Aufwendungen eines ersatzpflichtigen Schadens zu ersetzen seien. Darunter fielen jedoch - auch unter Berücksichtigung des in Bezug genommenen § 63 VVG - nicht die Aufwendungen, die beim Versicherungsnehmer entstehen, um die seinem Auftraggeber geschuldete Leistung vertragsgemäß zu erbringen.
Versicherungsbedingungen seien so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher VN bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen müsse. Die Kl. habe die Speditionsversicherung abgeschlossen, um sich gegenüber Auftraggeber und sonstigen Wareninteressenten auf die Haftungsbefreiung gem. § 41 Buchstabe a ADSp. a.F. berufen zu können. Nr. 2 SVS/RVS bestimme ausdrücklich, dass die Versicherung für fremde Rechnung genommen werde. Dieser auf fremde Rechnung gerichtete Zweig der Versicherung widerspreche e...