1 Leitsatz
Die Wiederinbetriebnahme einer bestehenden, aber bereits längere Zeit außer Betrieb gesetzten Aufzugsanlage ist eine Maßnahme der ordnungsmäßigen Erhaltung i. S. v. §§ 18 Abs. 2, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG und keine bauliche Veränderung i. S. v. § 20 WEG, selbst wenn dies infolge der langen Stilllegung den Einbau einer neuen Anlage erfordert.
2 Normenkette
§§ 18 Abs. 1, 2, 19 Abs. 2 WEG
3 Das Problem
Im Jahr 1990 wird der in der Wohnungseigentumsanlage vorhandene Personenaufzug stillgelegt und seither nicht mehr betrieben. Durch ein Urteil aus dem Jahr 2014 wird allerdings festgestellt, dass die Wohnungseigentümer verpflichtet sind, den Personenaufzug wieder in Gang zu setzen oder für die Installation eines funktionsfähigen Personenaufzugs Sorge zu tragen. Die Wohnungseigentümer erstellen vor diesem Hintergrund eine Erhaltungsplanung für die Zeit von 2014 bis 2020. Danach sollen im Jahr 2019 der Personenaufzug und das Treppenhaus "saniert" werden. Hierzu kommt es aber nicht. Wohnungseigentümer K klagt jetzt auf Reparatur des Personenaufzugs.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG stehe jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein individueller Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu. Im Fall sei dieser Anspruch darauf gerichtet, die im gemeinschaftlichen Eigentum befindliche Aufzugsanlage in einer Art und Weise herzurichten oder zu erneuern, dass sie ihre Funktion wieder erfüllen kann. Die faktische Beseitigung der Erreichbarkeit der oberen Stockwerke mit einem Personenaufzug durch dessen Stilllegung oder die Verweigerung geeigneter Maßnahmen zur Erreichung der Funktionstüchtigkeit stellten keine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung dar (Hinweis auf Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 18 Rn. 10). Die Aufstellung der Erhaltungsplanung zeige, dass die Wohnungseigentümer dies in der Vergangenheit selbst so eingeschätzt hätten.
Die Einwendungen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer führten zu keiner anderen Entscheidung. Das "Erfordernis einer vorherigen Beschlussfassung" sei unbeachtlich. Der Anspruch des Klägers sei darauf gerichtet, die Funktionstüchtigkeit des Personenaufzugs wiederherzustellen. Es obliege der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, konkrete Schritte auf dieses Ziel hin zu veranlassen, entsprechende Beschlüsse zu fassen und weitere Maßnahmen vorzunehmen. Die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsunfähigkeit der anderen Wohnungseigentümer rechtfertige nicht den Verzicht auf gebotene Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall wird ein Personenaufzug seit Jahrzenten nicht mehr betrieben. Fraglich ist, ob ein Wohnungseigentümer die Wiederinbetriebnahme verlangen kann.
Anspruch auf Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums
Jeder Wohnungseigentümer hat einen Anspruch auf eine Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Dieser Anspruch kann nicht verjähren. Die anderen Wohnungseigentümer können ihm nicht entgegenhalten, kein Geld zu haben.
Eine Grenze könnte allenfalls die Unwirtschaftlichkeit einer Reparatur bilden. Dann müsste man eine jahrelange "Nichtreparatur" eines im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden wesentlichen Gebäudebestandteils als eine "Zerstörung" i. S. v. § 22 WEG einordnen. Diesen Weg hat der BGH versperrt. Er ist der Ansicht, eine Zerstörung sei ein punktuelles Ereignis (wie Brand, Überflutung oder Explosion), das die Nutzbarkeit des Gebäudes oder Gebäudeteils wesentlich beeinträchtige oder aufhebe (BGH, Urteil v. 15.10.2021, V ZR 225/20).
6 Entscheidung
AG Saarbrücken, Urteil v. 28.10.2021, 36 C 117/21 (12)