Leitsatz
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Scheinvater die Kindesmutter auf Auskunftserteilung über den biologischen Vater in Anspruch nehmen kann.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über die Auskunftspflicht der Mutter gegenüber dem Scheinvater nach erfolgreicher Anfechtung der Vaterschaft.
Bis Frühjahr 2006 hatten sie in nichtehelicher Gemeinschaft zusammengelebt. Auf Verlangen der Beklagten erkannte der Kläger die Vaterschaft für den im Januar 2007 geborenen Sohn der Beklagten an. Nach dem negativen Ergebnis eines außergerichtlichen Vaterschaftsgutachtens hat der Kläger seine Vaterschaft erfolgreich angefochten und beabsichtigte nunmehr, den leiblichen Vater wegen der Aufwendungen für das Kind in Anspruch zu nehmen.
Das erstinstanzliche Gericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde vom OLG zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beklagte Revision eingelegt, die ohne Erfolg blieb.
Entscheidung
Der BGH bejahte einen Auskunftsanspruch des Klägers gegen die Beklagte über die Person, mit der sie in der Empfängniszeit eine intime Beziehung gehabt habe.
Die Auskunftspflicht ergebe sich nicht aus §§ 1605, 1615l Abs. 3 S. 1 BGB, weil sich die dort geregelte Auskunftsverpflichtung allein auf die Grundlagen der Einkommensermittlung, d.h. die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, beziehe.
Über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Auskunftsansprüche hinaus folge aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB bei einer bestehenden Rechtsbeziehung eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang eines Rechts im Ungewissen sei und der Verpflichtete die erforderlichen Auskünfte unschwer erteilen könne (BGH, Urt. v. 6.2.2007 - X ZR 117/04, NJW 2007, 1806 Rz. 13; BGHZ 152, 307, 316 = NJW 2003, 582; BGHZ 148, 26, 30 = MDR 2002, 228; BGHZ 95, 285, 287 f. = NJW 1986, 1247; BGHZ 81, 21, 24 = NJW 1981, 2000 und BGHZ 10, 385, 387).
Die dafür erforderliche rechtliche Beziehung zwischen den Parteien bestehe aufgrund der Anerkennung der Vaterschaft, durch die die Eltern in vielfältiger Weise verbunden seien. Hieraus folge eine wechselseitige Auskunftsverpflichtung über die Voraussetzungen der Vaterschaft. Diese Auskunftspflicht bestehe auch dann fort, wenn die Vaterschaft nachträglich wirksam angefochten worden sei. Auch wenn die Auskunft regelmäßig vom Schuldner des über die Auskunft durchzusetzenden Hauptanspruchs zu erbringen sei, könne auch ein Dritter zur Auskunft verpflichtet sein.
Die erforderliche familienrechtliche Sonderverbindung gründe auf dem Verhalten der Beklagten, die den Kläger zur Anerkennung der Vaterschaft aufgefordert und dieser selbst zugestimmt habe. Die Auskunftspflicht dürfe jedoch nicht den unantastbaren Bereich des Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 GG verletzen. Ein solcher Eingriff sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil die Beklagte durch ihre Aufforderung zur Anerkennung der Vaterschaft zum Ausdruck gebracht habe, dass kein anderer Mann als Vater in Betracht komme. In diesen Fällen sei ihr die Auskunft nach erfolgreicher Vaterschaftsanerkennung zumutbar. Der Kläger seinerseits sei für einen effektiven Rechtsschutz auf die Auskunft angewiesen. Da er auch mit der anonymen Erfüllung seiner Zahlungsansprüche einverstanden gewesen sei, gehe es ihm nicht um eine Bloßstellung der Beklagten, sondern um die Durchsetzung seines Regressanspruchs gegen den biologischen Vater.
Hinweis
Mit dieser Entscheidung hat der BGH die Rechtsposition des Scheinvaters in mehreren Punkten entscheidend gestärkt und sich dafür ausgesprochen, dass eine Abwägung zwischen den Interessen der Mutter an der Geheimhaltung des Intimpartners und dem Interesse des Vaters auf effektiven Rechtsschutz erfolgen könne. Voraussetzung hierfür sei eine besondere Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten.
Zum anderen stellt der BGH klar, dass der Scheinvater den potentiellen biologischen Vater auch dann in Regress nehmen kann, wenn dessen Vaterschaft noch nicht rechtlich etabliert ist.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 09.11.2011, XII ZR 136/09