1.2.1 Freizügigkeits-Abkommen Schweiz
Nach dem Abkommen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit des Personenverkehrs v. 21.6.1999 wird die Schweiz so behandelt, als wäre sie Mitgliedstaat der EU.
1.2.2 Anspruchsberechtigung aus zwischenstaatlichen Abkommen
Nach § 62 Abs. 2 EStG hat ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder einer Aufenthaltserlaubnis ist. Dieses Erfordernis gilt nicht für Staatsangehörige Bosniens und Herzegowinas, des Kosovo, Marokkos, Montenegros, Serbiens, der Türkei und Tunesiens, solange sie Arbeitnehmer i. S. d. jeweiligen zwischenstaatlichen Abkommens (Sozialabkommen) sind.
Die Arbeitnehmer-Eigenschaft i. S. d. jeweiligen Abkommen setzt
- ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis oder
- den Bezug von Arbeitslosengeld nach § 136 SGB III (während des Bezugs von Arbeitslosenhilfe besteht kein Anspruch auf Abkommenskindergeld) oder
- den Bezug von Geldleistungen der Krankenversicherung wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit (Krankengeld, Verletzungsgeld, Übergangsgeld, Mutterschaftsgeld)
voraus.
Als Arbeitnehmer sind auch solche Personen anzusehen, die im Anschluss an ein Beschäftigungsverhältnis Erziehungsgeld oder Landeserziehungsgeld erhalten oder sich bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis in Erziehungsurlaub befinden.
Die betreffenden Personen sind daher auch ohne Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis kindergeldanspruchsberechtigt.
Personen, die lediglich eine geringfügige Beschäftigung ausüben, gelten nicht als Arbeitnehmer i. S. d. zwischenstaatlichen Abkommen.
Zwischenstaatliche Abkommen mit Regelungen zur Zahlung von Familienleistungen bestehen derzeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und folgenden Staaten:
- Bosnien und Herzegowina,
- Kosovo,
- Marokko,
- Montenegro,
- Serbien,
- Türkei und
- Tunesien.
Voraussetzung für die Anwendung der einzelnen Abkommen ist, dass sich der Kindergeldanspruchsberechtigte im Inland als Arbeitnehmer aufhält.
Ein in der Bundesrepublik wohnender Elternteil hat ab dem Zeitpunkt, ab dem er eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht, nach dem Sozialabkommen zwischen Deutschland und der Türkei für seine in der Türkei lebenden Kinder keinen Kindergeldanspruch. Das Kindergeld nach dem deutsch-türkischen Sozialabkommen setzt eine Beschäftigung bzw. eine Unterbrechung der Beschäftigung durch vorübergehende Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit voraus.
Ein deutscher Staatsangehöriger türkischer Abstammung mit Wohnsitz im Inland hat auch nach dem Assoziierungsabkommen EWG-Türkei keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG für seine in der Türkei lebenden Kinder. Abstammung, Heimat, Herkunft oder Rasse sind nach Ansicht des BFH keine für die Anwendung der Abkommensregelungen relevanten Kriterien.
1.2.3 Entsandte Arbeitnehmer/Saisonarbeitnehmer
Ob ein von seinem ausländischen Arbeitgeber zur vorübergehenden Tätigkeit im Inland entsandter Arbeitnehmer Anspruch auf Kindergeld hat, richtet sich nach den allgemeinen Regelungen bzw. den über- und zwischenstaatlichen Vorschriften. Dies gilt auch für Saisonarbeitskräfte und Werkvertragsarbeitnehmer.
Die Frage, ob
- von ihrem ausländischen Arbeitgeber zur vorübergehenden Beschäftigung nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer und
- vorübergehend in Deutschland beschäftigte Saisonarbeitnehmer,
die EU-Staatsangehörige sind, Anspruch auf deutsches Kindergeld haben, hat der EuGH entschieden. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der EuGH in der Regelung von § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Ausschluss von Kindergeld wegen ausländischer Familienleistungen) einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht sieht, wenn aufgrund der im anderen Mitgliedsstaat gewährten, dem Kindergeld vergleichbaren Leistung der Anspruch auf inländisches Kindergeld völlig wegfällt. Die Anrechnung der ausländischen Familienleistung und die daraus folgende Zahlung eines inländischen Differenzkindergeldes hält der EuGH jedoch für zulässig.
In den beiden zugrunde liegenden BFH-Verfahren erließ die Familienkasse jeweils Änderungsbescheide, in denen sie inländisches Differenzkindergeld zugunsten der Kläger festsetzte. Nach den jeweiligen Erledigungserklärungen in der Hauptsache sind die Verfahren ohne Urteil abgeschlossen. Im Urteil v. 16.5.2013 entschied der BFH im Fall eines polnischen Saisonarbeitnehmers zugunsten des Anspruchs auf Differenzkindergeld bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 EStG.
Sehr informativ und ausführlich stellt das Urteil des FG Düsseldorf v. 13.7.201...